„vormals Engagierte, hinterher Klügere"
Im April 2013 habe ich mir von der
Donau-Universität in Krems meine Abschlusszeugnisse abgeholt, nachdem ich mit
November 2008 mit der akademischen Ausbildung „Supervision & Coaching“
begonnen hatte. Schon vor meinem ersten Ausbildungsmodul in Krems wusste ich
den Titel meiner zu schreibenden Abschlussarbeit, „Wie wirkt Supervision bei
der Rückkehr in den Arbeitsbereich nach Burnout Krisen“.
Diesem Thema habe ich mich nach der kommissionellen Prüfung über mein theoretisches Wissen im
November 2011 auch intensiv gewidmet, beim Verfassen der wissenschaftlichen
Arbeit war mir die Verschränkung mit der Praxis überaus wichtig. Erkenntnisse
habe ich dabei vor allem auch aus denvon mir geführten qualitativen Interviews gewonnen, mit Burnout
Betroffenen, mit Leitenden MitarbeiterInnen aus Unternehmen und mit SupervisorInnen, welche aus dem Krankenstand zurückkehrende
MitarbeiterInnen im Rahmen von Wiedereingliederungsprozessen an den früheren
Arbeitsplatz begleitet haben.
Gleichzeitig hatte ich auch bei
meinem Arbeitgeber selbst die Möglichkeit ein innerbetriebliches
prophylaktisches Gesundheitsprojekt und ein Wiedereingliederungsprojekt nach
Langzeitkrankenständen zu leiten. Eine vom Zeitpunkt her absolut passende
Ergänzung zu meiner akademischen Ausbildung und Abschlussarbeit.
Und nachdem ich bereits seit 2005
regelmäßig Vorträge und Workshops zum Thema Burnout“ halte und dabei in 10
Jahren um die 80 Veranstaltungen zusammengekommen sind, habe ich mir nun überlegt, was ich denn im Laufe dieser 10
Jahre an Veränderungen im gesellschaftspolitischen Diskurs zu diesem Thema wahr
genommen habe. Und das deckt eine riesige Bandbreite ab:
Zuerst aber kurz eine Reise in die
Vergangenheit, es gab schon „Vorläufer“ zu „Burnout“:
Burnout schon in der Bibel
Und schon in der Bibel gibt es Stellen, die uns
Einblick geben, dass Überforderung seinerzeit schon möglich war. So wird Moses
von seinem Schwiegervater Jetro zur Selbstschonung
aufgerufen, nachdem er mit dem Volke Israel ins Gelobte Land unterwegs ist …
„Es ist nicht gut, wie Du das tust. Du machst dich
zu müde, dazu auch das Volk, das mit dir ist. Das Geschäft ist dir zu schwer,
du kannst es allein nicht ausrichten“ 2. Mose 18,
17-18.
Dieser Rat zu mehr Delegation wird noch befolgt,
aber kurze Zeit später ist Moses völlig fertig, als das Volk auch noch nach
Fleisch statt nach Manna verlangt. Und er schreit Gott seinen Frust entgegen,
aus dem die pure Überforderung herauszuspüren ist ….
„… ich vermag all das Volk nicht zu tragen, denn es
ist mir zu schwer. Willst du aber so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn
anders ich Gnade vor dir gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen
muss.“ 4. Mose 11, 11-15.
Neurasthenie
Ende des 18. Jahrhunderts war die Neurastehenie in aller Munde: Man ging davon aus, dass die
sogenannte „Nervenschwäche“ auf Grund der modernen Lebensumstände, die
technischen Innovationen, die neuen Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten
sowie die Beschleunigung fast aller
Lebensbereiche (Zitat Wilhelm Erb, Nervenarzt: „Die Nacht wird zum Tag“), das
Nervensystem der Menschen stärker beanspruchten und die Nerven rascher verbrauchten,
als dies früher der Fall gewesen war.
Als Beschwerden wurden angeführt:
Kopfschmerzen, Ohrengeräusche, eine schwache Stimme, krankhafte Reizbarkeit,
Hoffnungslosigkeit, krankhafte Furcht, Rastlosigkeit, Schlaflosigkeit,
empfindliche Zähne, nervöse Verdauungsstörungen, Verlangen nach Drogen,
sexuelle Probleme, Schwächegefühle etc.
George M. Beard,
Entdecker der Neurasthenie meinte aber: „Die beschrieben Leiden bedrohen nicht
direkt das Leben, haben möglicherweise sogar eine „lebensverlängernde Wirkung“.
Dennoch bezeichnete er die Summe der „Qualen und Beschwerden“, die mit den
genannten Leiden verbunden sind, als ganz „ungeheuer“ und teilweise „schlimmer
als der Tod“.
Verglichen wurde der Mensch mit
einer elektrischen Batterie, die bei großer Anstrengung erschöpft wird. Um
Widerstand zu überwinden, sei mehr Nervenkraft gefordert, was dazu führe, dass
die Reserven abnehmen und die Menschen ermüden.
Seinerzeit florierten Kuraufenthalte
… mit dem 1. Weltkrieg und den Folgen wurde die Aufmerksamkeit auf andere
Vorgänge gerichtet und das Konzept der Neurasthenie verlor rasch an Bedeutung!
Managerkrankheit
Als nächstes Phänomen kam die Managerkrankheit
(Erschöpfung in der Ära des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg): Während die
allgemeine Lebenserwartung in den vorangegangenen 30 Jahren von 40 auf 65 Jahre
zugenommen hatte, fiel diejenige der Unternehmer von 68 auf 55 – 60 Jahre (Ein
Wegsterben der Elite – so Mediziner Max Halhuber). In
der ersten Legislaturperiode der BRD sollen immerhin 22 Abgeordnete früh einem
Herzkreislaufleiden erlegen sein! Die Ursachen für die Managerkrankheit waren
Überanstrengung, Erschöpfung, Mangel an Schlaf und Erholung, Überforderung der
Leistungsfähigkeit, zu wenig Bewegung sowie übermäßiger Gebrauch von
Genussmitteln.
Organisatorisches Unvermögen im Privatleben
Ich erlebe, dass sich Unternehmen
oftmals auf den Standpunkt zurückziehen, eine Burnout Krise entsteht bei ihren
MitarbeiterInnen primär dadurch, weil sich diese in ihrer Freizeit Probleme
aufhalsen, die ihnen dann über den Kopf wachsen und sie dann durch ihr
„Unvermögen im Privatleben“ arbeitsunfähig werden. Absolut praktisch dieser
Zugang. Denn: Wenn die Verantwortung so klar und ausschließlich an den
nicht-adäquaten persönlichen Lebensstil und an gegebene Fehlleistungen in der
Organisation des Privatlebens delegiert wird, braucht sich ein Unternehmen
nicht mit dem Hinterfragen von internen Prozessabläufen und Strukturen
beschäftigen.
Natürlich begegnet hier mir
oft eine Mischform, oft es ist es die Summe der einzelnen Teile: „Arbeit“ ist alles, nicht nur jene, die im
Beruf erbracht wird! Und wenn ich mir z. B. die Lebenssituation einer
Alleinerzieherin mit Kindern ansehe, die es möglicherweise auch schwer hat,
finanziell über die Runden zu kommen, ist hier durchaus eine „Burnout“
Anfälligkeit gegeben.
Inflationärer Gebrauch des Begriffes „Burnout“
Ich
nehme auch einen inflationären Gebrauch des Begriffes „Burnout“ wahr und damit
den konkreten Wunsch einer Abklärung: „Wann ist ein „Burnout“ wirklich ein
„Burnout“? Einmal
einen schlechten Tag zu haben, wo absolut nichts gelingt, wo vieles schief
läuft, wo nichts planmäßig funktioniert etc. ist für mich noch Normalität und
hat mit Burnout nichts zu tun. Doch muss
„Burnout“ inzwischen oftmals für „alles
und jedes“ herhalten! So ist mir immer wieder berichtet worden, dass sich
MitarbeiterInnen durchaus mit Worten wie „Ich gehe jetzt ins Burnout“ bei ihren
Unternehmen in einen Krankenstand verabschieden … beinahe so wie: „Ich gehe
jetzt in den Urlaub“. Und wenn dann im Vorfeld bislang noch keinerlei Auffälligkeiten
im Verhalten der MitarbeiterInnen wahrgenommen wurden, sind solche Sprüche
meines Erachtens meist nicht (sehr) ernst zu nehmen.
Diagnose
Burnout wird in der „Internationalen Klassifikation
der Erkrankungen“ (ICD-10) als „Ausgebranntsein“ und
„Zustand der totalen Erschöpfung“ mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 erfasst Er
gehört zum Abschnitt Z73 und umfasst „Probleme
mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ Nach dieser
Einstufung ist der Burnout eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose und keine (!)
Behandlungsdiagnose, die zum Beispiel die Einweisung in ein Krankenhaus
ermöglichen könnte.
- Es
gibt kein einziges differentialdiagnostisches Instrument
- Ausschließlich
Selbstbeurteilungsfragebögen, welche subjektive Probleme abfragen und das
selbst wahrgenommenes Burnoutrisiko abfragen
- Einzig
die Dimension emotionale Erschöpfung als Kardinalsymptom lässt sich
eindeutig mit Burnout verbinden
- Somatische
und psychosomatische Begleiterscheinungen
- Begleitphänomene
aus den Arbeitsverhältnissen
- Herzfrequenzvariabilitätsprüfung
- „Lebensfeuer, Schlafverhalten“
Erschöpfungsdepression
Denn
hinter einer tatsächlichen „Burnout-Krise“ verbirgt
sich im Regelfall eine klinische Störung – im fortgeschrittenen Stadium ist es
eine Erschöpfungsdepression! Wird alles gleich zu „Burnout“ hochstilisiert,
diskriminiert das Personen mit tatsächlichen „Burnout-Krisen“,
die - je nach erreichtem Stadium - möglicherweise gar nicht mehr die Wahl
zwischen Weiterarbeiten und Krankenstand haben! Klar ist, es geht beim Thema „Burnout“ immer wieder um Grenzziehung, um
die Notwendigkeit, auch „NEIN“ sagen zu
können.
Und
auch auf der Zeitschiene hat eine Burnout Krise eine längere Entwicklung und
entsteht nicht abrupt von einem Tag auf den anderen – hier wäre mindestens von
einem halben Jahr zu sprechen.
Bei meinen Vorträgen versuche ich,
dem entsprechend Rechnung zu tragen und beginne oft mit dem Einstieg, „von was
reden wir heute nicht, wenn wir von „Burnout“ reden“ (in Anlehnung an die
unbedingt notwendige Abgrenzung laut Erich Gamsjäger, der bereits 1994 eine
empirische Studie über Burnout erstellt hat):
Zeitlich begrenzte Phase starker Belastung
Als ersten Punkt nennt er dabei eine zeitlich
begrenzte Phase starker Belastung und er führt aus: Fühlt sich jemand infolge
intensiver Arbeit erschöpft und ausgelaugt, kann es sich zunächst um eine
völlig normale, gesunde Müdigkeit handeln. Als Beispiel sei hier eine besondere
Projektarbeit erwähnt: Eine solche Zusatzaufgabe bedarf neben dem
Alltagsbetrieb zusätzlichen Aufwands. Kommt dabei ein Gefühl der Erschöpfung
auf, hat das (noch) nichts mit „Burnout“ zu tun.
Persönliche Krise / Krisensituation
Der zweiten Punkt zählt er eine persönliche Krise
oder Krisensituation auf: Erschöpfung und Verzweiflung kann einen Menschen auch
dann treffen, wenn dieser sich in einer persönlichen Krise befindet, wie zum
Beispiel durch den Verlust eines geliebten Menschen in Folge Trennung oder Tod.
Dabei handelt es sich jedoch meist um Krisensituationen, die – auch wenn noch
so schmerzhaft – mit Geduld und Ruhe überwunden werden können. Auch hier
handelt es sich (noch) nicht um „Burnout“.
Jammern
Und als letzten und dritten Punkt beschreibt er das
Jammern: Oft haben Menschen ein ausgesprochenes ausgeprägtes
Anerkennungsbedürfnis. Bekommen diese nicht genug Aufmerksamkeit, kommt es oft
vor, dass sie zu Jammern und Klagen beginnen, wie schwer nicht alles ist und
wie ausgebrannt sie sind. Dieser Zustand sollte keinesfalls mit „Burnout“
verwechselt werden. Im Gegenteil – solche Menschen tragen immens zu Verwirrung
um die Begrifflichkeit „Burnout“ bei. Personen, die tatsächlich von „Burnout“
betroffen sind, wollen diese Tatsache in der Regel nicht anerkennen, ja
verleugnen sie sogar – wie durch die Wissenschaft belegt – und wollen
keinesfalls damit bei Mitmenschen Bedauern erwecken!
Psychopharmaka zur Bewältigung des Arbeitsalltages
In den von
mir geführten Interviews wurde mir von meinen InterviewpartnerInnen
berichtet, dass an ihren Arbeitsplätzen im KollegInnenkreis
die Einnahme von Psychopharmaka – um den beruflichen Alltag ertragen und
bestehen zu können – im Zunehmen begriffen ist und damit schon langsam an
Normalität gewinnt! Diese Aussagen decken sich auch mit einer statistischen
Zahl – 2009 nahmen 15 % der ÖsterreicherInnen
regelmäßig Psychopharmaka, zehn Jahre zuvor waren es noch 8 %. Ich frage mich
da schon ernsthaft, muss denn eine gesunde Wirtschaft tatsächlich kranke
MitarbeiterInnen erzeugen?
Produktivitätssteigerung von knapp 36 % in 20 Jahren
Die Steigerung der
Produktivität in Deutschland von 1991 bis 2011 betrug eindrucksvolle 35,9 %.
Und hinter diesen Zahlen stehen Menschen, für die sich im beruflichen Alltag
während dieser Zeit viel verändert hat, die da auch finanziell wohl kaum von
diesen eindrucksvollen Wirtschaftszahlen profitiert haben, möglicherweise haben
sie da auch noch gesundheitliche Schäden erlitten.
Aussagen der Pensionsversicherungsanstalt
Sehr
betroffen hat mich eine Informationsveranstaltung der Pensionsver-sicherungsanstalt
am 15.09.2010 in der Kürnberghalle in Leonding gemacht.
Der stellvertretende Chefarzt Dr. Pirich zog Bilanz:
Die PVA bietet nun seit 10 Jahren für DienstnehmerInnen
mit der Diagnose von psychiatrischen Erkrankungen in eigens dafür
eingerichteten Rehabilitationseinrichtungen seit dem Jahr 2000 Rehabilitionsaufenthalte in der Dauer von sechs Wochen an.
Nach zehn Jahren hat die PVA nun den weiteren Werdegang sämtlicher AbsolventInnen solcher Aufenthalte erhoben und war vom
Ergebnis offensichtlich selbst sehr schockiert:
Nur 20 %
der Absolventen konnten im Berufsleben verbleiben, den anderen 80 % blieb offensichtlich – da die
Arbeitsfähigkeit nicht mehr herzustellen war – nur der Weg in die
Berufsunfähigkeitspension. Kommentiert wurde dies von Dr. Pirich
lapidar mit „… ist der Zug einmal angefahren, ist er nicht mehr zu stoppen“.
Gleichzeitig richtete er aber einen eindringlichen Appell an die Unternehmen:
„Es muss etwas passieren, volkswirtschaftlich ruiniert das unser
Pensionssystem, wenn 35 Jährige auf Grund von massiver beruflicher
Überlastungen nicht mehr arbeitsfähig werden. Bitte werft ein Auge auf Eure
MitarbeiterInnen und deren Arbeitsbedingungen.“ (Pirich,
2010).
Unternehmen Wahnsinn
Einen sehr
eindrucksvollen Einblick in die Arbeitswelt von heute gibt Theresia Volk in
ihrem Buch „Unternehmen Wahnsinn“, welches 2011 erschienen ist. Ihre
Erkenntnisse, Erfahrungen und Wahrnehmungen hat sie als Management- und
Organisationsberaterin und langjährige Führungskraft in Industrie- und
Beratungsunternehmen gemacht – sie ist auch Stellvertretende Vorsitzende der
Deutschen Gesellschaft für Supervision und Lehrtrainerin für
Organisationsentwicklung.
Sie
fasst zusammen: Leistungsträger haben den steigenden Effizienzdruck zunächst
begrüßt, sie versprachen sich dadurch eine größere Leistungsgerechtigkeit. Mit
ihrem Einsatz ist der Effizienzdruck weiter gestiegen, dass nunmehr auch sie –
weil sie oftmals überfordert sind – selbst auf der Strecke bleiben.
Effizienzdruck versus Verlust an Kreativität
Nach
ihren Beobachtungen führt Effizienzdruck zu einem Verlust an Kreativität.
Kreativität braucht Raum und kann sich nur in Zeiten und Räumen entfalten, die
vom Effizienzdruck entlastet sind. Statt Kreativität wird nun Standardisierung
begünstigt.
Faktor Perfektion
Psychiater
und Neurologen, bei denen PatientInnen mit Burnout
Krisen in den höheren Stadien landen, beschreiben, dass sie bei diesen immer
feststellen, dass das Thema „Perfektion“ in deren Leben einen sehr hohen
Stellenwert einnimmt!
Fortlaufende Veränderungsprozesse
Oftmals
werden Veränderungsprozesse abgebrochen und durch neue Veränderungsprozesse
ersetzt, ohne dass man die Ergebnisse eines Prozesses abwartet. Diese
Überlagerung von Veränderungsprozessen ist die Folge eines Karrieremechanismus:
Wer über Veränderungsideen verfügt, steigt auf und muss seinen Aufstieg mit
neuen Veränderungsideen rechtfertigen. Der permanente Zwang, sich innovativ zu
zeigen, geht zunehmend mehr und mehr auf Kosten der Arbeits- und
Leistungsqualität.
Dokumentations- und Evaluationspflichten
Um
die Qualität von Arbeitsleistungen zu sichern und zu steigern, werden zunehmend
zeitaufwändige Dokumentations- und Evaluationspflichten eingeführt. Die
Verwaltungsarbeit in Organisationen werden damit unverhältnismäßig vermehrt,
was viel Zeit kostet, was auf Kosten der Zeit für die tatsächliche
Arbeitsleistung geht. Genau das nehme auch ich beruflich wahr, gerade im
Sozialbereich nimmt die Dokumentation einer gerade verrichteten Tätigkeit
häufig mehr Zeit in Anspruch als die vorgenommene Tätigkeit selbst.
Mit Vorgaben und Kontrollen zur reinen Ergebnissteuerung
Es
gibt neue Formen der Steuerung von Arbeit, die von einem rigiden System von
Vorgaben und Kontrollen immer mehr zu einer reinen Ergebnissteuerung übergehen,
der die persönliche Arbeitsleistung wenig bedeutet. Auch hier kann ich auf
eigene Erfahrungen verweisen, seit 17 Jahren bin ich ehrenamtlich als
Sachwalter tätig und erlebe, dass sich in diesem Bereich in dieser Zeit sehr
viel verändert hat: Hauptberufliche Sachwalter haben heute doppelt so viele Sachwalterschaften abzuwickeln als seinerzeit zu Beginn
meiner Tätigkeit. Zufriedenstellend erledigt ein Sachwalter seine Tätigkeit
dann, wenn die Aktenführung lückenlos und perfekt ist. Das Problem dabei: Für
die tatsächliche Arbeit mit den KlientInnen steht
kaum mehr Arbeitszeit zur Verfügung und „Beziehungsarbeit“, die früher im
Zentrum der Tätigkeit stand, ist nun nicht mehr möglich.
Pflegenotstand
Wohin
soll es führen, wenn junge Menschen, die sich für die Absolvierung eines
freiwilligen sozialen Jahres entscheiden, nach wenigen Wochen frustriert
feststellen müssen, dass sie im pflegerischen Alltag in einem Pflegeheim nicht
entsprechen, da sie die Vorgabe nicht länger als 10 Minuten in einem Zimmer bei
einer Bewohnerin verbringen zu dürfen, nicht schaffen … sie hätten tunlichst keine
Kommunikation zu pflegen sondern sich nur auf die pflegerische Tätigkeit zu
konzentrieren. Wo bewegt sich unsere Gesellschaft hin, wie werden denn
Pflegeplätze in 20 – 30 Jahren aussehen, wenn die Demenzerkrankten laut
Berechnungsprognosen von zuletzt 100.000 in Österreich im Jahr 2030 auf 250.000
bis 270.000 steigen wird. Welche Qualität wird die Betreuung dann noch haben?
UnternehmerInnen der eigenen Arbeitskraft
Vormals
eindeutig definierte Arbeitsaufgaben werden diffuser, und DienstnehmerInnen
sind heute mehr als früher für vielerlei Arbeitsbedingungen an ihrem
Arbeitsplatz selbst verantwortlich. Die einst getrennten Sphären von Arbeit und
Leben verschwimmen. Damit ergibt sich eine Veränderung der Beruflichkeit: DienstnehmerInnen werden zu UnternehmerInnen
ihrer eigenen Arbeitskraft. Sie müssen sich selbst organisieren, vermehrt
wirtschaftlich Verantwortung tragen und dabei ihr eigenes Handeln sowie die
Entwicklung und Vermarktung ihrer Fähigkeiten selbst kontrollieren.
Das
birgt Chancen und Risiken (je nach Branche, individuellen Ressourcen) und hat
langfristige Auswirkungen auf die Erwerbsorientierung. Aber: Die rein auf
kurzfristige Ziele orientierte Arbeitsorganisation hat neben wenigen GewinnerInnen vor allem DienstnehmerInnen,
die in Gefahr stehen, den Anschluss zu verlieren und zu den
Modernisierungsverlieren zu gehören.
Die
Arbeits-/Anforderungsintensität hat in den meisten Organisationen deutlich
zugenommen: Arbeitsprozesse werden verdichtet und beschleunigt, Nischen
beseitigt. Möglicherweise ist für manche DienstnehmerInnen
diese Intensivierung eine Quelle der Arbeitsmotivation, für die meisten stellt
sie eine Quelle von Belastungen dar, die sie über kurz oder lang nicht mehr
bewältigen.
Erwartungshaltung der Dienstgeber: Jederzeit an die eigenen Grenzen der
Arbeitskraft zu gehen
Bei
der betrieblichen Erwartung an die DienstnehmerInnen,
jederzeit an die eigenen Grenzen der Arbeitskraft zu gehen, stehen die
physische und vor allem die psychische Gesundheit auf dem Spiel, besonders
dann, wenn Tätigkeiten zu leisten sind, für die keine entlastenden Routinen zur
Verfügung stehen. Die steigende Arbeits- und Anforderungsintensität macht krank
oder führt zu einer inneren Kündigung, die aber sicherlich nicht der
Gesunderhaltung dient.
Selbstwert versus Karriere
Theresia
Volk führt weiter aus, dass auch Leistungsträger lernen müssen, ihren
Arbeitseinsatz aus Gründen eines psychosomatischen Selbstschutzes zu dosieren.
Das schließt ein, ihr Selbstwertgefühl nicht an die Karriere zu binden! Vielmehr
ist Enttäuschungsprophylaxe angesagt: Denn keineswegs werden alle
erforderlichen Anstrengungen, „gute Arbeit“ zu leisten, zwangsläufig durch
Aufstieg oder auch nur Kündigungsschutz belohnt!
Mythos Leistungsverdichtung versus
Leistungstilgung bzw. Erfolgs-verdichtung
Mythos
Leistungsverdichtung: In einer bestimmten Zeit wird von weniger Leuten mehr
geleistet: Haben vorher zwei Personen drei Stunden lang eine Leistung erbracht,
macht das sechs Leistungsstunden. Nach der Umorganisation erbringt eine Person
zwei Stunden diese Leistung. Das bedeutet eine Leistungstilgung von vier
Stunden. Diese Leistung steht nun nicht mehr zur Verfügung. Es geht also nicht
um eine Leistungsverdichtung, sondern um eine Anforderungsverdichtung (mehr
Tempo, weniger Personal, mehr Unübersichtlichkeit, mehr Druck). Ob mit dieser
Anforderungsverdichtung mehr Leistung erbracht wird (Wunschvorstellung), bleibt
offen … Relevant ist es, Ziele zu erreichen oder zu übertreffen. Was
Leistungsverdichtung heißt, müsste also Erfolgsverdichtung heißen.
Ständig unter Bewährung
Während
immer mehr Leistungsverdichtung gefordert wird, erlebt der Einzelne, dass er
immer weniger wirksam werden kann, also immer weniger leistet … und der Erfolg
ist kurzweilig. Was gestern war, ist schon wieder endgültig vorbei! Die Frage
ist, wie sich der Erfolg bei zukünftigen
Projekten einstellt, ist man diesen gewachsen? Man ist immer gefordert, und
frühere Erfolge sind Vergangenheit und zählen nicht mehr!
Mangelnde Anerkennung am Arbeitsplatz
In
der Stressforschung ist bekannt: Mangelnde bzw. keine Anerkennung am
Arbeitsplatz bedeutet, man wird sozial nicht wahrgenommen! Und wenn das trotz
maximaler Anstrengung nicht passiert, „der Einsatz keine Würdigung erfährt“ (Geray, 2010), dann macht das mit den Betroffenen sehr wohl
etwas! Und für eine „normale“ solide Arbeitsleistung, gibt es schon lange keine
wirkliche Wertschätzung mehr. Es sind bestenfalls die außerordentlichen
Leistungen, die da mal kurze Erwähnung finden.
Fehler und Vertretungsfragen
Eine
Supervisiorin hat mir bei einem Erfahrungsaustausch
gesagt, sie fragt bei Burnout KlientInnen immer, ob
es im Betrieb erlaubt ist, Fehler zu machen. Für sie ist das eine ganz zentrale
Frage, die meist vieles über das Arbeitsklima, die Atmosphäre etc., vorwegnimmt.
Ihre zweite Frage betrifft dann in der Regel den Umgang mit Personalersatz und
geregelten Vertretungen im Fall von Krankenständen, Urlauben und anderen
Abwesenheiten.
Erschöpfte Arbeitswelt
Dass
Arbeit uns Gesundheit im Konflikt liegen, beschreiben Kratzer, Dunkel und Menz
2011 wie folgt: Es ist nicht die Arbeit
an sich, die krank macht – keine Arbeit kann ja auch krank machen. Es sind also
vielmehr die Bedingungen, unter den gearbeitet wird, wie Arbeit gestaltet,
organisiert und reguliert wird. Mit dem Mehr an Spielräumen, Entscheidungen,
Flexibilitäten, flachen Hierarchien und Selbstorganisation sowie schlanken
Strukturen ist offensichtlich die Arbeitswelt nicht besser geworden. Wenn also
von der „erschöpften Arbeitswelt“ (Badura/Steinke
2011) die Rede ist, dann stimmt etwas nicht in der neuen Arbeitswelt.
Mehr arbeiten und nie fertig werden
Viele
Beschäftigte arbeiten immer mehr und werden dennoch nicht fertig. Das macht sie
unzufrieden und unglücklich und häufig auch krank. Und oft fehlt dazu auch die
schlüssige Erklärung, was denn nicht passt. Grund dafür sind die
Rahmenbedingungen, auch die Vorgesetzten, aber irgendwie ist man auch selber
mit Schuld oder eben nicht so fähig, wie man es sein sollte! Offensichtlich
nicht gut genug organisiert – sonst wäre ja alles zu schaffen – und dann
möglicherweise auch nicht effizient genug, um auch noch für die eigene
Gesundheit etwas zu tun! Da bleibt wohl nur eine Möglichkeit: Immer mehr
arbeiten, immer intensiver dabei werden, einfach den Turbo einschalten – denn
irgendwie muss es ja gehen! Der Raubbau an den eigenen Ressourcen wird ja nicht
sofort verspürt.
Oder
doch als Alternative – der Zeitgeist ist ja bekannt – den Rückzug antreten,
alles nicht so ernst nehmen, Grenzen setzen und sich im „Nein-Sagen“
üben? Beides ist möglich und beides hat seinen Preis.
Mit
der ersten Variante wird man beruflich besser aussteigen, geht dabei aber
privat wie gesundheitlich ein großes Risiko ein. Mit der Entscheidung für die
zweite Variante, mit der man sich bewusst vor beruflicher Überlastung und deren
negativen Folgen schützen kann, entzieht man sich wohl trotzdem nicht dem Druck
der Anforderungen. Dazu kommt dann, dass man mit den Arbeitsergebnissen
unzufrieden ist, das Klima mit den KollegInnen wird dabei kaum verbessern, die
Vorgesetzten sind unzufrieden.
„Was der Markt verlangt?“
In
dieser Zwickmühle stecken heutzutage viele. Die Organisation und die Steuerung von Arbeit haben sich in vielen
Unternehmen stark verändert. Primär geht es heute darum, „was der Markt verlangt“
– und erst danach, was das Unternehmen und die Beschäftigten tatsächlich
leisten können. D. h. es wird nicht überprüft, wie viel Personalkapazitäten
wird benötigt, um eine gewisse Leistung zu erbringen sondern den vorhanden
MitarbeiterInnen wird einfach Ihr Ziel vorgegeben. Somit treten
Leistungserwartung und Leistungsfähigkeit systematisch auseinander, prinzipiell
„maßlose“ (Markt)anforderungen treffen auf natürlich
begrenzte Ressourcen, Arbeit und Gesundheit geraten in Konflikt. Und die DienstnehmerInnen: Für sie scheint es nur die Wahl zwischen
Raubbau und Rückzug zu geben.
Leistungsfähigkeit und Energiereserven erschöpfen sich
Leistungsfähigkeit
und Energiereserven erschöpfen sich …. Immer wieder ist von Burnout Betroffenen
zu hören, dass sie nicht damit gerechnet hätten, dass bei ihnen plötzlich gar
nichts mehr geht. Die Erfahrung der eigenen Begrenztheit, dass der Körper nicht
mehr in der Lage ist aufzustehen, dass der Gang zum Lebensmitteleinkauf bereits
alle zur Verfügung stehenden Leistungsreserven eines Tages aufgebraucht hat,
fühlt sich beängstigend an. Der Körper gehorcht nicht mehr und dieser Schwäche ist man hilflos ausgeliefert.
Erschöpfungsdepression und körperlicher Zusammenbruch charakterisieren den
tiefsten Punkt einer Burnout Krise.
Politisch geplante Missstände im Sozialbereich
Am 8. November 2008 war ich vom
Verein zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres zur festlichen Feier des
40jährigen Bestehens dieser Organisationeingeladen. Als Gastredner hielt der Theaterautor und auch als
Supervisor tätige Thomas Baum (2008) eine brillante Festansprache. Leider zu
einem Zeitpunkt, als die offizielle Begrüßung und die Lobreden der Politiker
schon beendet waren und diese der Feierlichkeit (bewusst) nicht mehr
beiwohnten!
Thomas Baum beschrieb ungeschminkt,
dass die Politik ganz bewusst Missstände im Sozialbereich – nach lediglich
finanziellen Vorgaben – einplant und damit äußerst verantwortungslos bis grob
fahrlässig mit den dort tätigen DienstnehmerInnen und
ihren PatientInnen, KlientInnen
etc. umgeht! Da wurden offene und mutige Worte in einer Klarheit formuliert,
die ganz selten zu finden ist!
Die von Thomas Baum 2008
beschriebene Situation hat sich seit damals vielfach bestätigt und entsprechend
weiter verschärft. Ein Ende dieses von der Politik eingeschlagenen Kurses ist
weit und breit nicht in Sicht! Dazu eine
Überlegung von mir: Der Sozialbereich ist in der heutigen Leistungsgesellschaft
weitestgehend isoliert: Dort werden keine Wirtschaftsleistungen erbracht, oft
wird dargestellt, dass dieser Bereich nur etwas kostet, also die Erträge
(wesentlich) der Wirtschaft damit vermindert.
Der oder die „Nichtleister“
sind damit für die Leistungsgesellschaft wertlos. Im Sinne von Übertragung wird
diese „Wertlosigkeit“ auch jenen Menschen attributiert,
die sich um das Wohl von Pflege- und Hilfsbedürftigen kümmern. Und es ist für
die handelnden Politiker in der neoliberalen Gesellschaft, die sich nicht mit
den Schattenseiten des Lebens wie Leid, Not, Schmerz oder Tod beschäftigen will
oder kann, nicht populär, sich um diesen Bereich wirklich ernsthaft zu kümmern!
Dass die Wirtschaft völlig zum Stillstand kommen würde, würde einen einzigen
Tag lang jede/r MitarbeiterIn im Sozialbereich seine
oder ihre Tätigkeit nicht ausüben, würden auch noch zusätzlich die KindergärtnerInnen und LehrerInnen
aussetzen, wären die Leistungserbringer an diesem Tag wohl damit beschäftigt,
sich um ihre kranken, pflegebedürftigen Angehörigen oder zumindest um ihre
Kinder zu kümmern.
Führung
und Gesundheit
Auch der Aspekt Führung und Gesundheit scheint mir
wichtig: In unserer Arbeitswelt mangelt es gravierend an der sozialen Kompetenz
der Führungskräfte (Badura, Rixgens,
2011). Wenn von zehn Interaktionen zwischen Vorgesetzten und ihren
MitarbeiterInnen nach neun dieser Interaktionen die MitarbeiterInnen danach
Frust, Enttäuschung, Ärger, Traurigkeit, Wut, Ohnmacht oder Kränkung empfinden
und dies häufiger der Grund für Stress und Überlastung ist als der eigentliche
Arbeitsstress an sich, da scheint es sinnvoll, den Blick auch auf diesen
Umstand zu richten. Die Hauptaufgabe von Führungskräften – so Badura – wäre es zu überlegen, wie demotiviere ich meine
MitarbeiterInnen nicht?
Unternehmenskultur (gemeinsame Überzeugungen, Werte, Regeln und
Verhaltensweisen) wird zum wichtigsten Führungsinstrument – wenn sie von
den Mitarbeitern als „gelebt“ erfahren wird.
Führungskräfte
ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, Zeit für ihre Mitarbeiter haben, sich
konsistent verhalten, empathisch und begeisterungsfähig sind.
Mitarbeiter
von Vorgesetzten und Kollegen unterstützt und wertgeschätzt werden.
die
kollektive Intelligenz des Unternehmens mobilisiert wird, z.B. durch
Beteiligung, Befragung, und offene Diskussion von Mängeln und Problemen und die
Mitarbeiter dadurch eine starke emotionale Bindung an ihr Unternehmen entwickeln können.
Zahlreiche Studien belegen, dass schlechte Führung Demotivation und höhere Fehlzeiten bei MitarbeiterInnen und
damit auch schlechte Betriebsergebnisse verur-sacht. Aber auch Präsentismus wird dadurch begünstigt, darunter
verstanden wird das Arbeiten trotz psychischer oder physischer
Beeinträchtigung, mit dem Risiko sich (weiter) verschlechternder Gesundheit und
verminderter Qualität und Produktivität. Gute Führung hingegen kann das Sozialkapital eines Unternehmens und damit
das Betriebsergebnis positiv beeinflussen. Führung und Gesundheit sind mehrfach
miteinander verbunden: Gesundheit
und Gesundheitsförderung müssen in Unternehmen mit übergeordneten betrieblichen
Zielbereichen abgestimmt, systematisch organisiert und koordiniert werden –
dies betrifft die Managementfunktion von Führung. Gleichzeitig hat die Art und
Weise, wie MitarbeiterInnen
geführt werden, wie und in welchem Umfang Informationen an
Mitarbeiter weitergeleitet werden, wie
Teamarbeit und wie
einzelne Mitarbeiter gefördert und unterstützt werden, Auswirkungen auf das
Erleben und die Gesundheit der Mitarbeiter. Dies betrifft die unmittelbare
Mitarbeiterführung.
In dieser
Funktion tragen Führungskräfte darüber hinaus durch ihre besondere
Vorbildfunktion Verantwortung. Sie sind Vorbild dafür, wie mit den eigene
Belastungen und Ressourcen und der eigenen Gesundheit umgegangen wird. Und
schließlich ist die Gesundheit der Führungskräfte selbst zu betrachten, denn
erschöpfte oder kranke Führungskräfte bedeuten für ein Unternehmen ebenso ein
Risiko wie erschöpfte und erkrankte MitarbeiterInnen.
Fehlzeiten
von MitarbeiterInnen messen auch das Sozialkapital des Unternehmens, die
Führung, die Kultur und das Betriebsklima. Je weniger dieses Sozialkapital
positiv empfunden wird, desto mehr leidet die Gesundheit darunter!
Mobbing und Burnout
Durch gezieltes Mobbing können
MitarbeiterInnen auch bewusst in eine Burnout Situation getrieben werden. Laut Mobbing-Forschung sind bis zu 50 % der Mobber
Führungskräfte. Mit gezielten, ständig überbordenden Arbeitsaufträgen wird so
letztlich das Ziel erreicht werden können, „unliebsame“ MitarbeiterInnen in
dieser Form loszuwerden, indem ihre Gesundheit ruiniert wird.
Gesunde Führung
Der Einfluss von Führungsverhalten
auf das soziale Klima – die Organisationskultur im weitesten Sinne – ist
hinlänglich bekannt. Die Empfehlungen, die Gesundheits- und
Organisationsexperten für „gesunde Führung“ geben, werden Mediatoren
und andere Berater mit humanistischer Grundausrichtung nicht sonderlich
überraschen. In ihrem erfahrungsgesättigten Buch „Führung und Gesundheit“
behandelt Anne Katrin Matyssek die Essentials
gesunder Führung, die sie den korrespondierenden Dimensionen krankmachender Führung
gegenüber stellt.
Anerkennung
/ Lob / Wertschätzung
Interesse
/ Aufmerksamkeit
Aktive
Gesprächsführung / Einbeziehen
Transparenz
/ Offenheit
Führung
durch Vertrauen / Ressourcen-Orientierung
Stressbewältigung
/ Belastungsabbau / Ressourcenaufbau
Umgang
mit sich selbst: Wertschätzung als Haltung - Self Care“
Krankmachende Führung
Destruktive
Kritik / Fokus auf Fehler
Kontakt
Ignorieren / Bevorzugung einzelner MitarbeiterInnen
Engmaschige
Kontrollen / Entreißen von Aufträgen
Pokerface
/ willkürliche Entscheidungen
Führung
durch Misstrauen / Defizit-Orientierung
Zusätzliche
Druckerhöhung (enge Zeitvorgaben)
Umgang
mit sich selbst: Mangelnde Wertschätzung und Selbstfürsorge
Diese Faktoren sind Essentials der
Primärprävention: Welcher Geist soll in einer Organisation herrschen, damit die
Beschäftigten gesund bleiben? Auch die Entwürfe für Betriebliches Gesundheitsmanagement
basieren auf diesen Prinzipien.
Was aber tun, wenn trotz eines
propagierten BGM dennoch nicht alles rund läuft? Wenn trotz guten Willens zu
einem wertschätzenden Führungsstil die Kraft oder die Skills
nicht ausreichen, um den Widrigkeiten des Betriebsalltags erfolgreich zu
trotzen?
„Burnout-Konflikte“ – die Führungskraft in der
Zwickmühle
Nehmen wir an, ein Unternehmen macht
sich auf den Weg zu einem gesünderen Betriebsklima. Die Führungskräfte wurden
sensibilisiert. In einem „Resilienztraining“5 haben sie die Zusammenhänge zwischen
Gesundheit und Ressourcen orientierter Führung verstanden – und sie haben auch verstanden,
dass ohne ein gewisses Maß an „self care“ (Matyssek), d.h. einer
Sorge um die eigene Gesundheit, kein Blumentopf zu gewinnen ist. Sie kehren
zurück in den Betrieb. Nach ersten Erfolgen
hat sie der Alltag wieder: zynische
Sprüche von Kollegen, Rückfall in alte Muster – und wieder jagt eine Stressspitze
die nächste.
Aber ein Stück Sensibilisierung ist
geblieben. Die Führungskraft wird aufmerksam auf eine Mitarbeiterin, die in
ihrem Leistungs- und Aufopferungswillen ihre Grenzen zu überschreiten droht.
Das sind oft die Leistungsträger,
die Säulen des Teams, die „plötzlich“ in der Klinik landen. Oder die Führungskraft
wird von einem Mitarbeiter angesprochen, der sich „in letzter Zeit so schlapp
und ausgelaugt fühlt“ und dringend um eine Auszeit bittet – dummerweise mitten
im Projektendstress.
Was soll die Führungskraft tun?
Im Beziehungsgeflecht einer
Organisation – reduziert auf die drei Positionen Führungskraft, Mitarbeiter/in
und Teamkollegen/innen – gilt es konkret anzuschauen:
Die Erfahrung zeigt: In solchen
Fällen braucht es unabhängige, allparteiliche Berater
und Vermittler, die den Beteiligten Wege aufzeigen, aus ihren Sackgassen heraus
zu kommen. Ähnlich ihrer Aufgabe, Konflikte sachlicher ansprechbar zu machen,
können Mediatoren die Betroffenen darin unterstützen,
die Probleme, deren Lösung durch Tabus im Umgang mit Leistungsabfall, Burnout
und seelischen Erkrankungen blockiert werden, ansprechbar zu machen.
Präsentismus
In einer Untersuchung von Bernhard Badura stellt dieser fest, dass bei 9 von 10 Interaktionen MitarbeiterIn / Führungskraft die MitarbeiterIn
danach frustriert, verletzt, verärgert ist. Es fehlt den Führungskräften an
sozialer Kompetenz, an Empathie, an wertschätzenden Konfliktlösungsstrategien.
Die Hauptaufgabe von Führungskräften ist laut Badura
„Kommunikation“ und sich bewusst der Aufgabe zu stellen „Wie demotiviere ich
meine MitarbeiterInnen nicht?“. Hier muss angesetzt werden, denn mit
frustrierten, verletzten und verärgerten – wenig wertgeschätzten –
MitarbeiterInnen lassen sich kaum unternehmerischer Erfolge erzielen bzw.
provoziert das „Präsentismus“ bei den
MitarbeiterInnen (d. h. sie sind zwar körperlich anwesend aber keineswegs
motiviert tatsächlich Engagement an den Tag zu legen).
Mediation bei Burnout-Konflikten
macht
Konflikte – das Tabuisierte – besprechbar
sensibilisiert
für systemische Zusammenhänge
klärt
Verantwortung zwischen den richtigen Stellen
führt
zu konkreten Lösungen dort, wo es klemmt
fördert
den Mut, sich mit den Dilemmata einer aus den Fugen geratenen Arbeitswelt
auseinanderzusetzen
Flankierende Maßnahmen eines Burnout-sensiblen
Konfliktmanagements:
Vorträge
und Tagesworkshops zur Information und Sensibilisierung
Burnout-kompetentes Konfliktcoaching und Resilienz-Trainings für Führungskräfte und Teams
Fortbildung
für Führungskräfte im Umgang mit seelisch belasteten Mitarbeitern
Erstellung
eines Ressourcen- und Belastungs-Profils der Organisation/Abteilung
Einbettung
in bestehende Programme zur Gesundheitsprävention
BURNOUT verstehen und vorbeugen
Auszüge aus: „Wenn Hilfe zur Last
wird – Belastungen im Alltag der Jugendhilfe. Hrsg. Kinderschutzzentren Köln,
2012 bzw. aus einem Skript von Dr. Martina Süss,
Linz.
Burnout verstehen – Wirkmechanismen
des Burnoutprozesses – Burnout Kurzdefinition =
schleichender Prozess arbeitsbezogener Erschöpfung.
PERSON
– Innere Welt
GESELLSCHAFT
– Berufliche Umwelt / Private Umwelt
Die Ursachen für Burnout Prozesse
sind auf vielen Ebenen zu finden. Wenn wir aber auf unsere eigene innere Welt
schauen, können wir drei zentrale Wirkmechanismen beobachten, die ins Burnout
führen:
1) Selbstentfremdung
Die amerikanische Psychologin
Christine Maslach bezeichnet Burnout als das ernste
Zeichen eines breiten Auseinanderklaffens zwischen dem, was eine Person ist und
was eine Person tut.
Wer bin ich, meine Bedürfnisse,
Werte, Kompetenzen, Grenzen, mein Selbstempfinden und das was ich tue – mein
berufliches Handeln – klaffen immer stärker auseinander.
Die Folge ist eine Entfremdung von
sich, von anderen und von der Arbeit.
Zunehmendes Erleben von Inkongruenz,
Gefühllosigkeit, Fremdbestimmtheit, eine „Erosion der Seele“ stellt sich ein.
Es entwickelt sich eine Abstumpfung
der eigenen Werte, der eigenen Würde, des eigenen Willens – der eigenen
Selbstwahrnehmung.
So entsteht ein Zustand der
Selbstentfremdung, der graduell und kontinuierlich wächst, wenn nichts dagegen
unternommen wird.
2) Belastungs-Ressourcen-Missbalance
Jedes Burnout beginnt mit einer
länger andauernden Phase der Belastung.
Dass erlebte Anforderungen und
gelebte Ressourcen nicht immer in Balance sind, ist im Leben normal.
Wichtig ist es, auf die
Beweglichkeit der Belastungs-Ressourcen Balance zu achten.
Wenn man in einer Situation lebt und
arbeitet, in der die Arbeit mehr verlangt, als man geben kann und man weniger
zurück erhält, als man benötigt, dann ist man gefährdet.
Zeiten, in denen Belastungen
überwiegen, brauchen als Ausgleich Zeiten, in denen Ressourcen gut gepflegt
werden.
Wenn diese Balance längerfristig aus
dem Gleichgewicht kommt, weil Anforderungen zu hoch sind, entsteht die Gefahr
einer chronischen Missbalance, in der Energiereserven unseres Organismus
angezapft werden.
Körperliche und seelische
Stressfolgen stellen sich ein.
3) Leistungsfähigkeit und Energiereserven erschöpfen sich
Zu den eindrücklichsten Erfahrungen
gehört es, wenn Betroffene schockiert erzählen, dass sie nicht damit gerechnet
hätten, dass auf einmal „nichts mehr geht“.
Die Erfahrung der eigenen
Begrenztheit, die Erfahrung, dass der Körper nicht mehr in der Lage ist
aufzustehen, dass der Gang in den Supermarkt bereits alle zur Verfügung
stehenden Leistungsreserven eines Tages aufgebraucht hat, diese Erfahrung fühlt
sich unerklärlich, bestürzend, beängstigend an.
Der Körper (aber auch die kognitiven
Fähigkeiten) gehorchen nicht mehr und man ist dieser Schwäche hilflos ausgeliefert.
0 -100 % Leistungsfähigkeit
Das
arbeitsmedizinische Modell von Graf 1961 und Schlick 2012 über den Zusammenhang
von Energieeinsatz und Leistungsfähigkeit lässt verstehen, wie lange
anhaltender Stress in schleichendes Verausgaben führt. Es wird davon ausgegangen
dass jede Frau und jeder Mann ein Spektrum von 0 – 100 % Leistungsfähigkeit
hat. Je nachdem wie viel wir von unserer Leistungsfähigkeit einsetzen, soviel
Energie, Kraft und Willen brauchen wir, um uns zu mobilisieren.
0-15 % Leistungsfähigkeit (automatisierte Leistungen – ohne Willenseinsatz)
0-15 %
unserer Leistungsfähigkeit sind unwillentlich aktiviert. Darunter fällt alles,
was unser Körper von selber macht, wie
beispielsweise atmen, verdauen, essen aufnehmen, der Betrieb unserer
Körperfunktionen. Das alles passiert automatisch, ohne dass wir etwas dazu tun
müssen.
40-70 % Leistungsfähigkeit (mit Willen – im Tagesverlauf veränderliche
Leistungskurve)
Im Bereich
von 15 – 70 % kennzeichnet wiederum der Bereich von 40 – 70 % die Zone der
optimalen Leistungsbereitschaft. Hier sind Wille und Motivation nötig, um
Energie zu mobilisieren, mit der wir unsere Tätigkeiten angehen. Das
tatsächliche Leistungsausmaß ist von Person zu Person verschieden und hängt von
Einflussfaktoren wie Disposition, Gesundheitsgewohnheiten, Verhaltensmustern
etc. ab. Wenn wir unseren Alltag so leben, dass wir innerhalb dieses
Leistungsbereiches bleiben, gibt es über den alltäglichen Wechsel von Wach- und
Schlafrhythmus hinaus keine Ermüdung. Unsere Energiereserven erneuern sich im
Wechsel von Anspannung und Entspannung von selber.
70-85 % Leistungsfähigkeit (Dem Willen zugänglich – Höchstleistungen,
verbraucht Reserven)
Wenn es
darum geht, Verausgabungsprozesse zu verstehen, ist der Bereich von 70 – 85 %
unserer Gesamtleistungsfähigkeit der Spannendste. In diesem Bereich geht es um
die Bewältigung von Extra-Herausforderungen, um den Umgang mit besonderen
Belastungen, besonders energieintensiven Projekten etc. Extra-Herausforderungen
benötigen einen Extra-Leistungseinsatz und verbrauchen auch
Extra-Energiereserven. D. h. wir können mit Willen und Anstrengung zusätzliche
Reserven mobilisieren. Dabei zapfen wir Energiereserven an, die wir für
Notfälle haben. Zu Beginn ist das immer mit einem Adrenalinschub und einem
guten Gefühl der Leistungsfähigkeit verbunden. Die Gefahr liegt darin, zu
übersehen, dass wir zum Ausgleich intensivere Entspannungsphasen brauchen.
Schrauben wir unser Leistungsideal in den Bereich der Einsatzreserven hoch,
leben wir von unseren Leistungsreserven. Die Folge ist eine schleichende
Entwicklung chronischer Stresssymptome. Erste Anzeichen sind körperliche
Erschöpfungs- und Verspannungszustände, die ein Frühwarnzeichen von Burnout
darstellen.
85-100 % Leistungsfähigkeit (Dem Willen nicht zugänglich, Notfall –
kurzfristig)
Noch
höhere Leistungen im Bereich von 85 – 100 % sind zwar für begrenzte Zeit
möglich, können jedoch wegen der Gefährdung der Gesundheit nur unter akuter
Bedrohung der personellen Existenz (Todesangst) mobilisiert werden, es sei
denn, die Mobilisationsschwelle wird durch pharmazeutische Manipulation, wie es
das Doping darstellt, aufgehoben.
Über Angst wird nicht gesprochen
Tatsache ist, dass Faktoren wie
steigende Arbeitslosigkeit, Angst vor Kündigung mit all ihren Folgen nicht nur
ältere Berufstätige, sondern in zunehmendem Maß auch jüngere Menschen
betreffen. Dazu kommen Ängste vor dem Versagen, dem Nicht-Genügen und dem
Kontrollverlust im Beruf. Solche existenziellen Ängste können bereits Jahre
bestehen, bevor Anzeichen der Überforderung für Familie, Freunde oder die
Kollegenschaft merkbar werden.
Betroffene reagieren auf diese
scheinbar bedrohliche Situation zunächst mit erhöhter Anstrengung im Job.
Ebenfalls typisch: Sie sprechen nicht darüber. Die falsche Strategie – sinnvoll
wäre es, sich in einer solchen Situation Hilfe zu holen.
Da die/der Vorgesetzte dafür
häufig nicht in Frage kommt, können Kolleginnen und Kollegen oder auch die
Arbeitsmedizinerin/der Arbeitsmediziner geeignete Ansprechpartner sein. Auch
ein Coaching oder eventuell psychotherapeutische Unterstützung könnten helfen,
ausreichend Distanz zu entwickeln.
Der Angstspirale entkommen
Ziel ist es, die Ängste zu
benennen und konkrete Strategien zu finden, um der Angstspirale zu entkommen –
noch bevor sich das Vollbild eines Burnouts oder
einer Überlastungsdepression entwickeln kann.
Angst von außen
Ängste haben in Zeiten der
Wirtschaftskrise sowie den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen
Entwicklungen insgesamt einen durchaus realen Hintergrund. Die Verantwortung
dafür, gesund, aktiv und leistungsfähig zu bleiben, wurde in den letzten zehn
Jahren zunehmend dem Einzelnen übertragen.
Dynamisch, flexibel, lebenslange
Lernbereitschaft sind nur einige Eigenschaften, die vor allem auch von älteren
Menschen im Beruf gefordert werden. Selbstoptimierung, Selbststeuerung und
Selbstvermarktung sind die dazugehörigen Schlagworte.
Angst von innen
Hinzu kommt aber auch die
Selbstausbeutung. Denn nicht alle Ängste entstehen direkt aus der Arbeitswelt.
Die meisten Menschen sind auf den Gelderwerb im Hinblick auf Sinnstiftung,
Selbstwert, narzisstische Homöostase – und der daraus
entstehenden vermeintlichen Freiheit – angewiesen. Und sie sind bereit, sich
bis an die Grenzen zu belasten, solange sie keine sinnvollen Alternativen
sehen.
Drohender Teufelskreis
Das Leitbild des autarken Homo
oeconomicus ist unabhängig und angstfrei. Negative Affekte wie Verzweiflung,
Wut und Angst darf es in der modernen Arbeitswelt nicht mehr geben.
Weiterbildung, Weiterentwicklung und Wachstum sind gefordert.
Kein Wunder, dass in diesem Sinne
über bestehende Ängste nicht gesprochen wird. Denn das wiederum würde bedeuten,
Schwäche zu zeigen. Und Ängste und Schwäche sind mit Scham besetzt. Doch damit
setzt sich ein Teufelskreis in Gang, denn dieses Verhalten steigert die Ängste
noch mehr.
Die Angst macht sich jedoch schon
sehr früh auch körperlich bemerkbar, so die Arbeitsmedizinerin Dr. Ingrid Drossos-Stuller. Sie stellt in diesem Zusammenhang
beispielsweise bereits bei jungen Menschen erhöhten Blutdruck, Herzrasen und
Herzangst, Störungen im Magen-Darm-Trakt oder Schmerzen im Bereich des
Bewegungsapparats fest.
Resilienz nützen
Eine wichtige, persönliche
Ressource stellt in diesem Zusammenhang die Resilienz
dar, also die Fähigkeit des Menschen, mit auch schwierigen Situationen gut zurecht zu kommen. Resilienz kann
bedeuten, in der Freizeit entlastende und ausgleichende Aktivitäten wie etwa
Sport, Musik hören oder Tanzen auszuüben. Die Spezialisten sprechen dabei auch
von „self-caring“. Doch genau dieses „aufmerksam um Sich-Selbst-Kümmern“ wird von vielen Menschen
vernachlässigt und das wird oft mit der hohen Arbeitsbelastung begründet.
Die gute Nachricht: Resilienz ist nicht etwas Angeborenes. Resilienz
kann im Lauf des Lebens erlernt und geübt werden.
Burnout ist eine Depression
In einem Interview mit der Zeitschrift „Psychologie Heute“ beschrieb
Isabella Heuser, Psychologin und Psychiaterin und Leiterin der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie der Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin,
das Ihrer Wahrnehmung nach die Leistungsgesellschaft die Diagnose
„Depression“ unbedingt vermeiden will und diese Erkrankung bewusst in „Burnout
umetikettiert“. Konkret benennt sie, dass in ihrer Klinik hier mit den gleichen
Medikamenten therapiert wird und sie Burnout als arbeitsbezogene Depression
erlebt. Auch von meiner Wahrnehmung und Erfahrung ist ein massiver
Überlastungsprozess ohne „Depression“ ziemlich unwahrscheinlich!
Kritischer Moment im Langzeitkrankenstand
Spannend
war auch die Erkenntnis, dass die von mir interviewten „Burnout Betroffenen“
unabhängig voneinander berichteten, dass sie während ihres
Langzeitkrankenstandes einen besonders kritischen Moment erlebten: Nämlich
jenen, an dem sich der Dienstgeber bei ihnen telefonisch meldete, um
nachzufragen, wie lange denn der Krankenstand in etwa noch dauern würde …
dieser Wunsch nach Planbarkeit des Dienstgebers ist ja durchaus verständlich.
Aber: Er ließ die „Burnout Betroffenen“ in ein „Loch“ fallen, emotional – so
wurde beschrieben – ließ sie diese Kontaktaufnahme – nach ihren ersten mühsamen
Schritten in Richtung Normalität – wieder an den Beginn ihres „Burnout
Prozesses“ zurückfallen! In wenigen Minuten wurde so ein bereits langsam
einsetzender Genesungsprozess wieder zunichte gemacht und wertvolle Zeit
entwertet!
Es wird Erfolg geschuldet
Als
Personalist in einem Unternehmen des privaten Sozialbereiches habe ich ja viel
mit arbeitsrechtlichen Gesetzen zu tun. Und auch hier hat sich eine gravierende
Erkenntnis für mich eingestellt: Ein unselbständiger Arbeitnehmer ist zu einer
auf Zeit abgestellten Arbeitsleistung, nicht aber zur Erbringung eines
bestimmten Erfolges seiner Arbeitsleistung verpflichtet! Er schuldet eine
Arbeitsleistung, aber keinen bestimmten Arbeitserfolg – sprich: „er schuldet
ein Bemühen“ (OGH 9 Ob A 77/91, Infas 1992/A 6 u. 8
Ob A 240/95, Infas 1996/A 31).
Wenn ich
mir aber nun die Realität der Arbeitswelt zu Gemüte führe, nehme ich wahr: Das
entspricht schon lange nicht mehr der gelebten Wirklichkeit am Arbeitsplatz.
Selbstverständlich erwartet der Arbeitgeber einen Erfolg vom Wirken seines
Arbeitnehmers! Das Bemühen alleine reicht heute wohl kaum noch aus – die
Erwartungen zielen sehr wohl auf den Erfolg! Und nur diesen! Und dieser Erfolg
soll dauerhaft geliefert werden: selbst wenn man 10 Projekte perfekt
abgeschlossen hat, und das nächstfolgende Projekt läuft nicht ganz wie geplant,
wird man sofort in Frage gestellt … In der Arbeitswelt von heute steht der
Arbeitnehmer (tendenziell) permanent unter Bewährung und unter dem Zwang, sich
fortlaufend täglich aufs Neue beweisen zu müssen!
Und selbst
wenn: Erfolg ist auch oft nicht wirklich steuerbar: Man kann zwar arbeiten,
sich bemühen und die Tätigkeit engagiert erbringen, letztlich kann man aber oft
nicht kontrollieren wieviel Erfolg man mit ihr tatsächlich
hat. Das ist ja oft auch von Faktoren abhängig, die jenseits des eigenen
Einflusses liegen.
Noch etwas
ist zu bedenken: Wir sind nicht dafür geschaffen, Dinge zu tun, die wir tief in
unserem Inneren nicht tun wollen. Und das ist keine Frage von fehlendem
Ehrgeiz.
Unser
Verständnis von Erfolg stammt zum größten Teil nicht von uns selbst, sondern
von anderen – möglicherweise von unseren Elternbzw. auch von bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen.
In einer
gesellschaftspolitischen Kultur, die grundsätzlich Reichtum und das damit
verbundene Prestige als das gute, das begehrenswerte Leben inszeniert, wird
einem stets vermittelt, dass man nie mit dem zufrieden sein sollte, was man
hat, wer man ist und was man tut.
Um dagegen
angehen zu können, müssen wir erst einmal für uns selbst herausfinden, was wir
wirklich als Erfolg erleben, was wir wirklich von unserem Leben und unserer
Arbeit wollen!
Burnout
als Reaktion auf veränderte Arbeitsbedingungen
Burnout ist eindeutig eine
Reaktion auf veränderte Arbeitsbedingungen. „Engagiere Dich mit Haut und Haar“
– ist die heutige Grundregel für Erfolg! In den meisten Tätigkeiten ist die
ganze Person gefordert, daher entgrenzt sich Arbeit
auch immer ins Private! Die Autoren Günter Voss und Cornelia Weiss bezeichnen Burnout als „Leiterkrankung des subjektivierten Kapitalismus“.
Denn: Burnout entsteht oft
aus dem Missverhältnis, dass eine Person sich komplett engagiert, die
Arbeitgeber aber nicht wirklich an der Person selbst interessiert sind, sondern
lediglich daran, den Mehrwert des persönlichen Engagements abzuschöpfen, ohne
wirklich Anerkennung zu gewähren oder Sinnangebote zu schaffen. Und so liegen
Selbstverwirklichung und Selbstüberforderung ganz nahe beieinander – und die
Rede von der Selbstverwirklichung enthält auch einen Selbstbetrug! Es geht
dabei ja um eine Standard-Selbstverwirklichung, die ins vorgegebene Konzept
passt – aber natürlich keineswegs um eine „freie Selbstverwirklichung“.
Und „Burnout“ ist „immer
und überall“: Eine Wanderung, eine sportliche Aktivität, ein Ausflug etc. –
oftmals macht man’s gar nicht mehr aus Freude am Leben, auch Leichtigkeit, als
Freizeitvergnügen … wir machen’s, um einen bewussten Gegenpol zu „Burnout“ zu
schaffen, wir bemühen uns bewusst um Freizeitentspannung, um nur ja kein
„Burnout“ zu kriegen … „Burnout“ pervertiert uns also auch im Freizeitkontext.
„Innovatives
Potential“ von Burnout
Und ein Hoffnungsschimmer
meinerseits: Burnout hat aber auch ein „innovatives Potenzial“. Der
ausgebrannte, erschöpfte Mensch ist ein Pionier auf dem Weg in ein verändertes
Denken, das mehr auf Ressourcen achtet. Und damit könnte es ein möglicher
Vorbote eines neuen „Nachhaltigkeitskapitalismus“ sein.
Landesrat Rudi Anschober
Stark in
die Medien geriet Landesrat Rudi Anschober im Herbst
2012 als er seine „Burnout-Krise“ publik machte und
Vorneherein seine Auszeit von drei Monaten feststand. Über diesen zeitlichen
Parameter, den er damit auch – unbeabsichtigt – vorgegeben hat, bin ich
persönlich nicht glücklich, denn „Burnout“ ist ein sehr individueller Prozess,
der sich nicht mit anderen „Burnout-Krisen“
vergleichen lässt. Wir Menschen sind Individuen – Gott sei Dank! – und die
Belastungsgrenzen sind daher auch völlig unterschiedlich. Vergleiche sind daher
unangebracht und der Sache überhaupt nicht dienlich.
Erwähnenswert
ist in diesem Zusammenhang aber auf alle Fälle auch die Vertretungsfrage. Für
gut drei Monate nahm Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer
die Vertretung von Rudi Anschober in der
Landesregierung wahr. Und zwar zusätzlich zu seiner bereits übernommenen
Vertretung von Landesrätin Mag. Doris Hummer, die ja gerade auf Babypause
weilte. Das heißt: De-facto hatte Landeshauptmann Pühringer zum gleichen Zeitpunkt drei hoch
verantwortungsvolle Jobs zu erledigen. Er führte ganz Oberösterreich vor, dass
dies durchaus möglich ist. Mit ihm also Themen wie Überlastung zu besprechen,
wird von seinem Zugang und praktischen Handeln her, wohl wenig Sinn machen!
Denn die
Überlegungen zur Personalpolitik des Landes OÖ. und der GESPAG hat Landesrat
Personalreferent Franz Hiesl konkret am 02.04.2014
vorgestellt: Wenn wir einen Abgang haben (Mutterschutz, Kündigung,
Pensionierung etc.) da besetzen wir aus Prinzip das erste halbe Jahr mal gar
nicht nach. Und nach einem halben Jahr ist oftmals auch der Wunsch nach
Personalersatz gar nicht mehr zu vernehmen. Und damit schon ist am
Personalsektor eingespart!
Was das
aber dann in den einzelnen Abteilungen heißt, wenn ein nun verkleinertes Team
sich den gleichen oder auch vermehrten Anforderungen zu stellen hat, wird
seitens der politischen Entscheidungsträger nicht mehr hinterfragt!
„Wirtschaftsfaktor“ Burnout
„Burnout“ kurbelt aber auch die Wirtschaft an:
Ein neuer riesiger, beinahe unüberschaubarer Markt hat sich aufgetan: Seminare,
Workshops, Ausbildungen etc. werden angeboten, um Unternehmen und Arbeitnehmern
die Hintergründe des Entstehens von „Burnout-Prozessen“
näher zu bringen. Unüberschaubar bezeichne ich den Markt deshalb, weil sich da
zum Teil natürlich auch Anbieter von Fortbildungsveranstaltungen befinden, die
bis vor kurzem oder auch parallel dazu auch Weiterbildungen zum weiteren Ausbau
von Leistungs- und Effizienzsteigerungen etc. anbieten und eben jetzt ein neues
Geschäft mit „Burnout“ wittern. Ich wünsche mir, dass am Thema „Burnout“ Interessierte
hier sorgfältig die „Spreu vom Weizen“ trennen, denn ich denke, bei diesem
ernsthaften Thema darf die „Lufthoheit“ nicht an die „Gewinnmaximierer“
weiter gegeben werden. Es geht hier um eine grundsätzliche Lebens- und
Wertehaltung, und um eine „neue Kultur der Arbeit“ und diese ist bei diesen
Anbietern sicherlich nicht zu finden! „Wo Geld zum Ziel wird, gewinnt es die
Kraft, alle anderen Werte als Mittel für sich herabzudrücken“, so der Begründer
der deutschen Soziologie, Georg Simmel, in seinem Traktat „Philosophie des
Geldes“. Wo Geld zum absoluten Gut wird, kommt es zu „pathologischen
Ausartungen“ – und das hat Simmel schon 1900 festgestellt!
3,4 Mio. Krankenstandstage im Jahr 2012
Bis vor
kurzem lag mir nur die Anzahl von 2,4 Millionen Krankenstandstagen im Jahr 2009
aus Grund von psychischen Erkrankungen in Österreich vor, war zuletzt den
Salzburger Nachrichten die Anzahl von 3,4 Millionen Krankenstandstagen – wobei
davon 2/3 auf Frauen entfallen – aus diesem Grunde im Jahr 2012 zu entnehmen.
Mein Rückschluss: Ein Umdenken sieht anders aus – offensichtlich hat sich die
Situation noch weiter verschärft. Der Leidensdruck für die Unternehmen scheint
immer noch nicht groß genug. Oder auch – und das betrifft jetzt meine
Wahrnehmung im hauptberuflichen Kontext – der Kostenträger die privaten
Sozialunternehmen finanziell absolut unter Druck setzt und z. B. wie in
Oberösterreich, die letzten drei Jahre die kollektivvertraglichen
Gehaltserhöhungen gar nicht oder nur zum Teil weitergibt, was natürlich entsprechende
Reaktionen und Folgen im Arbeitsalltag der Unternehmen hinterlässt!
Verunsicherung
Von einem „außergewöhnlichen Anstieg bei
psychischen Erkrankungen“ spricht man im Hauptverband.
Rund 900.000 Menschen erhalten jährlich wegen
psychischer Leiden Leistungen der Krankenversicherungen.
„Wir
leben nicht in Zeiten der allgemeinen Versicherung, sondern der allgemeinen
Verunsicherung“ sagt Georg
Psota, Präsident der Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie. „Es gibt in der Gesellschaft einen Verlust an
Solidarität und Sicherheitsgefühl, traditionelle Strukturen lösen sich auf,
viele fragen sich: Wie geht es weiter – mit der EU, mit der Wirtschaft, mit mir, mit der
Familie?“
Das könnte ein Grund für das Mehr an Angststörungen
und Depressionen sein. Psota: „Das ist meine persönliche Interpretation.“ Denn belegt sei das
nicht. „Der
Anstieg der Krankenstände kann auch darin liegen, dass sich die Menschen heute
mehr deklarieren und psychische Probleme nicht mehr hinter einem
Magen-Darm-Infekt verstecken. Es fehlen Studien zur tatsächlichen
Krankheitshäufigkeit in Österreich. Wir wissen nicht, wie hoch die Zahlen
tatsächlich sind.“
Johannes Wancata,
Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Wiener-Uni-Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie, sieht zwei Gründe für den Anstieg:
„Wir haben
Anfang der 90er-Jahre in einer Studie gezeigt, dass damals von
Allgemeinmedizinern und an Abteilungen wie Chirurgie oder Gynäkologie nur 40
bis 45 Prozent der psychischen Erkrankungen erkannt wurden – deutlich mehr als
die Hälfte wurde übersehen. Heute werden durch bessere Ausbildung 60 bis 65 %
erkannt.“
Früher wurden Menschen mit Depression oder Angststörung in vielen Betrieben mitgetragen. Heute heißt
es, “Du musst in Krankenstand gehen“ oder die Betroffenen werden in die
Frühpension gedrängt. Die gestiegene Stressbelastung im Beruf mache es
für Menschen mit psychischen Leiden immer schwieriger, damit umzugehen. „Ich sehe keine
Zunahme der Erkrankungen, aber eine Zunahme der Inanspruchnahme von Leistungen.
Die wird in den nächsten Jahren weitersteigen. Darauf wird die Politik mit
einem Ausbau von Betreuungs- und Therapieeinrichtungen reagieren müssen“,
betont Wancata.
„Überlastungsschock“ bzw. „Erosion der persönlichen Tragfähigkeit“
Unser
wissenschaftlicher Ausbildungsleiter Hilarion Petzold hat die Begrifflichkeit von Burnout
als komplexes
Syndrom, welches als „Erosion der persönlichen Tragfähigkeit“ oder auch als ein
„Überlastungsschock“ zu bezeichnen ist, definiert. „Burnout“ beschreibt eine
Situation von permanenter Überforderung und Übererregung mit entsprechenden
psychophysiologischen Stressreaktionen. Scheitern die Bewältigungsversuche bzw.
finden solche überhaupt nicht statt,kommt es zu einer Chronifizierung der
Situation, und es tritt ein gravierender Kompetenzverlust ein. Auch bei einer
Verbesserung bzw. Entlastung der Situation kann der ursprüngliche
Kompetenzgrad nicht mehr erreicht
werden, weil sich die Persönlichkeit des Menschen durch Dauerstress verändert.
Er spricht hier von „professioneller Deformation“.
Wohin führt die Ideologie der Eigenverantwortung
Derzeit
sind Wege zur Stärkung der Resilienz und der
wirksamen therapeutischen Eigenbehandlung gefragte Wissensgebiete: Natürlich
sind diese Selbsttechniken der Erschöpfungsvermeidung auch hilfreich, doch
folgen sie einer Ideologie der Eigenverantwortung, welche Krankheit als Mangel
an Selbstfürsorge und Scheitern als persönliche Schwäche deklariert.
Öffentliche Empfehlungen zur Stressprophylaxe richten sich auf eine
vermeintlich persönliche Misere, die ihre Ursachen in den sozialen
Lebensmodellen der Gegenwart hat und deren Lösungen gesellschaftliche
Veränderungen notwendig machen. Als griffiges Beispiel um diese Situation zu
veranschaulichen, führen die Autoren Sighard Neckel und Greta Wagner an: „Würde man denn den Arbeitern
einer Asbestfabrik empfehlen, zu Hause besser Staub zu wischen, um ihre Lungen
vor einer Krebserkrankung zu schützen“?
Wahrnehmungen von Herbert Freudenberger
Der
Begründer der „Burnout-Forschung“ der Psychoanalytiker
Herbert Freudenberger, hat bereits in den Siebziger Jahren bei der Beschreibung
von Burnout neben der schieren Überlastung die Erwartungsenttäuschung ins
Zentrum gestellt: Ausbrennen bedeute „sich selbst bei dem Versuch zu zerstören,
unter Aufbietung aller Kräfte unrealistische Erwartungen zu verwirklichen, die
selbstgesetzt oder vom Wertsystem der Gesellschaft aufgezwungen sind“.
Keine wirklichen gesellschaftspolitischen Veränderungen in Sicht
In Zeiten
des allgemeinen Einsparens und des Kürzens wird wohl vorerst alles wie gehabt
weiterlaufen. Der Großteil der Unternehmen wird erst dann wirklich innehalten
und sich ernsthaft und nachhaltig dem Thema „Überforderung“ annehmen, wenn sie
mehr und mehr Probleme beim Rekrutieren von Fachpersonal haben. „Machen Sie
alles, dass mein Mitarbeiter bald wieder gesund zurück kommt“ erzählte mir ein
Supervisionskollege, wird er von einem Unternehmen angefleht, „wir kommen ohne
sein Wissen nicht mehr weiter“. Ob hier eine Erkenntnis zu spät kommt?
Supervision als Arbeits- und Lebensbegleiter
Wünschenswert wäre natürlich, wenn
Burnout Krisen überhaupt erst gar nicht entstehen würden. Wenn einerseits im
Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstgebers schon bei sich anbahnenden
Überlastungsszenarien entsprechend reagiert wird, andererseits aber auch
MitarbeiterInnen selbst in Eigenverantwortung ihre Belastungsgrenzen definieren
und sich aktiv reflektierend mit ihrer Arbeits- und Lebenssituation auseinander
setzen. Das hier Supervision – begleitend zum fortlaufenden Arbeitsprozess –
als gezieltes und wirksames Instrument prophylaktisch eingesetzt werden kann
entspricht meiner eigenen Erfahrung und Wahrnehmung.
„Gelebtes Arbeitsrecht“ als „Burnout-Prophylaxe“
„Gelebtes Arbeitsrecht ist die beste „Burnout-Prophylaxe“ so wurde ich einmal nach einem von
mir in der Arbeiterkammer OÖ. gehaltenen
Workshop zitiert. Und dass damit schon ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung getan wird, davon bin ich noch heute überzeugt! Inzwischen hat sich auch
im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes viel getan:
Mit der verpflichtenden Evaluierung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz
ist nun der Focus in den Unternehmen auf negative psychische Belastungsfaktoren
zu stellen, die im Österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor definiert sind:
Stressempfinden/Druck, Demotivation, Unfähigkeit
abzuschalten, Depressivität, Gefühl der Erschöpfung und Überlastung,
Gereiztheit und Sinnleere! Nur: Wenn das Geld überall knapp wird, dann ist
nicht zu erwarten, dass sich die Arbeitgeber mit Enthusiasmus in diese Ihnen
gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung stürzen: Denn tauchen dann
Belastungssituationen tatsächlich auf und werden diese vorschriftsmäßig
entsprechend dokumentiert, sind Maßnahmen zu setzen, die natürlich auch
wiederum Ressourcen kosten werden. Und den Nutzen von Nachhaltigkeit haben die
Unternehmen in Österreich von meiner Einschätzung her meist noch nicht wirklich
entdeckt! Irgendwie wird die Zunahme von psychischen Erkrankungen inzwischen
beinahe doch so hingenommen, wie eben auch der Klimawandel!
Wichtig seien Maßnahmen im Vorfeld, betont Ulla Konrad, Präsidentin des
Berufsverbandes der Österreichischen Psychologen. „In Betrieben könnte durch Prävention vieles
abgefangen werden. Die betriebliche Gesundheitsförderung sollte sich mehr auf
psychische Aspekte konzentrieren und Arbeitspsychologen verstärkt einbinden –
wie es etwa bei dem Projekt fit2work (Infos: www.fit2work.at) der Fall ist.“ Leider
geschehe dies oft nicht ausreichend. Konrad: „In vielen Unternehmen herrscht noch großes
Unwissen, wie mehr Aufmerksamkeit für die Psyche konkret umgesetzt werden
kann.“
Wie schütze ich mich selbst vor Burnout?
Der Autor
und Facharzt für psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie, Andreas
Hillert (Burnout – Zeitbombe oder Luftnummer?) meint
bei dieser Frage, man möge sie durch eine positive Formulierung, eine Anti-Burnout Frage, ersetzen: Und er fragt: „Was macht ein
gelungenes, glückliches Leben aus?“. Das hohe Pathos eines glücklichen Lebens
beinhaltet das Wissen um die Endlichkeit alles Irdischen, um richtige, bewusste
Augenblicke, das rechte Maß, Verantwortung und mitunter auch um bewussten
Verzicht. Wir bestimmen unsere Werte selbst! Irgendwie ist an diesem Zugang
durchaus etwas dran!
Zukunftsaussichten:
Sehr
nachdenklich gemacht haben mich die Musiker Hans Platzgumer
und Didi Neidhart, die in ihrem Buch „Musik-Müll“
auch die globale gesellschaftliche Entwicklung durchleuchten und mir dabei ganz
eindringlich vor Augen geführt haben, in welchem „Klima“ „Burnout“ heute
gedeiht: Ein Auszug aus diesem Essay soll das verdeutlichen:
Wir haben
das Träumen verlernt, das vor einigen Jahrzehnten noch hoch im Kurs stand. In
Ermangelung der eigenen Vorstellungskraft von Alternativen finden wir uns mit
einer ausbeuterischen Welt zurecht, die aus den Rudern läuft. Wir sehen, wie
sie zerbricht, wie wir zerbrechen unter ihr, aber wir nehmen es hin, weil wir
nicht an bessere Alternativen glauben. Nicht als Tyrannei verstehen wir dieses
System, sondern als Wirt. Wir begreifen uns nicht als Opfer seines Diktats,
sondern als Parasiten, die eine Symbiose mit dem Wirtstier anzustreben haben.
Die
Einbettung in einer von globalisierter Ökonomie
dominierten Gesellschaft , deren „Geiz ist geil“ und „Take the
Money and Run“ Mottos sich als Weltverständnis eingebrannt haben. Alles in
dieser Welt geschieht gleichzeitig, entsteht und verschwindet in einem Atemzug.
Alles muss dies tun, sonst hat die Wirtschaft ein Problem, dem sich zu stellen,
sie noch nicht bereit ist! Für das Wohlbefinden der Kunden müssen die Regale
stets gefüllt sein, auch wenn 30 % unserer Lebensmittel auf dem Müll verrotten!
Der
Geschwindigkeitsrausch unseres technischen Fortschritts im Sog des schwankenden
Kapitalismus ist eine unheilvolle Spirale nach unten. Ein Wettlauf, der auf
Dauer nicht durchzuhalten ist. Wir sind die Opfer unserer eigenen Entwicklung,
unserer Sozialisation, unserer Evolution. Wir nehmen an dem Wettrennen nach
kurzfristigen Renditen teil – wissentlich oder unfreiwillig. Auch wenn es uns
Angst macht oder vielleicht sogar geil! Wenn wir überleben wollen, können wir
nicht anders als mitzurennen, wohin auch immer … unendliches Wachstum und
Beschleunigung auf einem endlichen Planeten kann auf Dauer nicht funktionieren!
Wer ernsthaft
darüber nachdenkt, kann das nicht wollen, aber trotzdem machen alle mit. Vor
den großen Problemen, die wir jetzt und in sprunghaft nahender Zukunft
bewältigen müssen, erstarren wir in Ratlosigkeit. Die Erderwärmung, die
Schuldenkrise – wir geben uns einem fatalen Fatalismus hin, weil wir als
Einzelpersonen, einzelnen Organisationen oder Länder nicht wissen, wie
Katastrophen und Unrecht abgewendet werden kann, die sich in derartiger
Komplexität über den Globus spannen.
Wir können
unseren Politikern nicht mehr glauben und vertrauen und haben unseren Untergang
vor Augen. Alles hat ein Ablaufdatum, das immer näher rückt! Und jeder, der in
dem System seine Vorteile erkennt, quetscht heraus, was er kann, solange er
noch kann. Manisch gehetzte KonsumentenInnen tragen
dazu bei, das System zu erhalten, solange das noch irgendwie möglich ist. Wer
sich dem Kreislauf verweigert für den ist in der Leistungsgesellschaft kein
Platz!