Prolog

Burnout ist eine ernsthafte Erkrankung − eine Werteerkrankung − es geht um Grenzziehung − auch darum NEIN‐Sagen zu können.

Und um aus einer Burnout Krise herauszukommen bedarf es einem persönlichen Veränderungsmanagement und es geht um eine Überprüfung: Lebe ich mein Leben − oder lebe ich die Erwartung anderer!

Aktuelles Skriptum Burnout

„vormals Engagierte, hinterher Klügere"

Im April 2013 habe ich mir von der Donau-Universität in Krems meine Abschlusszeugnisse abgeholt, nachdem ich mit November 2008 mit der akademischen Ausbildung „Supervision & Coaching“ begonnen hatte. Schon vor meinem ersten Ausbildungsmodul in Krems wusste ich den Titel meiner zu schreibenden Abschlussarbeit, „Wie wirkt Supervision bei der Rückkehr in den Arbeitsbereich nach Burnout Krisen“.

Diesem Thema habe ich mich nach der kommissionellen Prüfung über mein theoretisches Wissen im November 2011 auch intensiv gewidmet, beim Verfassen der wissenschaftlichen Arbeit war mir die Verschränkung mit der Praxis überaus wichtig. Erkenntnisse habe ich dabei vor allem auch aus denvon mir geführten qualitativen Interviews gewonnen, mit Burnout Betroffenen, mit Leitenden MitarbeiterInnen aus Unternehmen und mit SupervisorInnen, welche aus dem Krankenstand zurückkehrende MitarbeiterInnen im Rahmen von Wiedereingliederungsprozessen an den früheren Arbeitsplatz begleitet haben.

Gleichzeitig hatte ich auch bei meinem Arbeitgeber selbst die Möglichkeit ein innerbetriebliches prophylaktisches Gesundheitsprojekt und ein Wiedereingliederungsprojekt nach Langzeitkrankenständen zu leiten. Eine vom Zeitpunkt her absolut passende Ergänzung zu meiner akademischen Ausbildung und Abschlussarbeit.

Und nachdem ich bereits seit 2005 regelmäßig Vorträge und Workshops zum Thema Burnout“ halte und dabei in 10 Jahren um die 80 Veranstaltungen zusammengekommen sind, habe ich mir nun  überlegt, was ich denn im Laufe dieser 10 Jahre an Veränderungen im gesellschaftspolitischen Diskurs zu diesem Thema wahr genommen habe. Und das deckt eine riesige Bandbreite ab:

Zuerst aber kurz eine Reise in die Vergangenheit, es gab schon „Vorläufer“ zu „Burnout“:

Burnout schon in der Bibel

Und schon in der Bibel gibt es Stellen, die uns Einblick geben, dass Überforderung seinerzeit schon möglich war. So wird Moses von seinem Schwiegervater Jetro zur Selbstschonung aufgerufen, nachdem er mit dem Volke Israel ins Gelobte Land unterwegs ist …

„Es ist nicht gut, wie Du das tust. Du machst dich zu müde, dazu auch das Volk, das mit dir ist. Das Geschäft ist dir zu schwer, du kannst es allein nicht ausrichten“ 2. Mose 18, 17-18.

Dieser Rat zu mehr Delegation wird noch befolgt, aber kurze Zeit später ist Moses völlig fertig, als das Volk auch noch nach Fleisch statt nach Manna verlangt. Und er schreit Gott seinen Frust entgegen, aus dem die pure Überforderung herauszuspüren ist ….

„… ich vermag all das Volk nicht zu tragen, denn es ist mir zu schwer. Willst du aber so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn anders ich Gnade vor dir gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen muss.“ 4. Mose 11, 11-15.

Neurasthenie

Ende des 18. Jahrhunderts war die Neurastehenie in aller Munde: Man ging davon aus, dass die sogenannte „Nervenschwäche“ auf Grund der modernen Lebensumstände, die technischen Innovationen, die neuen Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten sowie die  Beschleunigung fast aller Lebensbereiche (Zitat Wilhelm Erb, Nervenarzt: „Die Nacht wird zum Tag“), das Nervensystem der Menschen stärker beanspruchten und die Nerven rascher verbrauchten, als dies früher der Fall gewesen war.

Als Beschwerden wurden angeführt: Kopfschmerzen, Ohrengeräusche, eine schwache Stimme, krankhafte Reizbarkeit, Hoffnungslosigkeit, krankhafte Furcht, Rastlosigkeit, Schlaflosigkeit, empfindliche Zähne, nervöse Verdauungsstörungen, Verlangen nach Drogen, sexuelle Probleme, Schwächegefühle etc.

George M. Beard, Entdecker der Neurasthenie meinte aber: „Die beschrieben Leiden bedrohen nicht direkt das Leben, haben möglicherweise sogar eine „lebensverlängernde Wirkung“. Dennoch bezeichnete er die Summe der „Qualen und Beschwerden“, die mit den genannten Leiden verbunden sind, als ganz „ungeheuer“ und teilweise „schlimmer als der Tod“.

Verglichen wurde der Mensch mit einer elektrischen Batterie, die bei großer Anstrengung erschöpft wird. Um Widerstand zu überwinden, sei mehr Nervenkraft gefordert, was dazu führe, dass die Reserven abnehmen und die Menschen ermüden.

Seinerzeit florierten Kuraufenthalte … mit dem 1. Weltkrieg und den Folgen wurde die Aufmerksamkeit auf andere Vorgänge gerichtet und das Konzept der Neurasthenie verlor rasch an Bedeutung!

Managerkrankheit

Als nächstes Phänomen kam die Managerkrankheit (Erschöpfung in der Ära des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg): Während die allgemeine Lebenserwartung in den vorangegangenen 30 Jahren von 40 auf 65 Jahre zugenommen hatte, fiel diejenige der Unternehmer von 68 auf 55 – 60 Jahre (Ein Wegsterben der Elite – so Mediziner Max Halhuber). In der ersten Legislaturperiode der BRD sollen immerhin 22 Abgeordnete früh einem Herzkreislaufleiden erlegen sein! Die Ursachen für die Managerkrankheit waren Überanstrengung, Erschöpfung, Mangel an Schlaf und Erholung, Überforderung der Leistungsfähigkeit, zu wenig Bewegung sowie übermäßiger Gebrauch von Genussmitteln.

Organisatorisches Unvermögen im Privatleben

Ich erlebe, dass sich Unternehmen oftmals auf den Standpunkt zurückziehen, eine Burnout Krise entsteht bei ihren MitarbeiterInnen primär dadurch, weil sich diese in ihrer Freizeit Probleme aufhalsen, die ihnen dann über den Kopf wachsen und sie dann durch ihr „Unvermögen im Privatleben“ arbeitsunfähig werden. Absolut praktisch dieser Zugang. Denn: Wenn die Verantwortung so klar und ausschließlich an den nicht-adäquaten persönlichen Lebensstil und an gegebene Fehlleistungen in der Organisation des Privatlebens delegiert wird, braucht sich ein Unternehmen nicht mit dem Hinterfragen von internen Prozessabläufen und Strukturen beschäftigen.

Natürlich begegnet hier mir oft eine Mischform, oft es ist es die Summe der einzelnen Teile:  „Arbeit“ ist alles, nicht nur jene, die im Beruf erbracht wird! Und wenn ich mir z. B. die Lebenssituation einer Alleinerzieherin mit Kindern ansehe, die es möglicherweise auch schwer hat, finanziell über die Runden zu kommen, ist hier durchaus eine „Burnout“ Anfälligkeit gegeben.

Inflationärer Gebrauch des Begriffes „Burnout“

Ich nehme auch einen inflationären Gebrauch des Begriffes „Burnout“ wahr und damit den konkreten Wunsch einer Abklärung: „Wann ist ein „Burnout“ wirklich ein „Burnout“? Einmal einen schlechten Tag zu haben, wo absolut nichts gelingt, wo vieles schief läuft, wo nichts planmäßig funktioniert etc. ist für mich noch Normalität und hat mit Burnout nichts zu tun.  Doch muss „Burnout“  inzwischen oftmals für „alles und jedes“ herhalten! So ist mir immer wieder berichtet worden, dass sich MitarbeiterInnen durchaus mit Worten wie „Ich gehe jetzt ins Burnout“ bei ihren Unternehmen in einen Krankenstand verabschieden … beinahe so wie: „Ich gehe jetzt in den Urlaub“. Und wenn dann im Vorfeld bislang noch keinerlei Auffälligkeiten im Verhalten der MitarbeiterInnen wahrgenommen wurden, sind solche Sprüche meines Erachtens meist nicht (sehr) ernst zu nehmen.

Diagnose

Burnout wird in der „Internationalen Klassifikation der Erkrankungen“ (ICD-10) als „Ausgebranntsein“ und „Zustand der totalen Erschöpfung“ mit dem Diagnoseschlüssel Z73.0 erfasst Er gehört zum  Abschnitt Z73 und umfasst „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung Nach dieser Einstufung ist der Burnout eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose und keine (!) Behandlungsdiagnose, die zum Beispiel die Einweisung in ein Krankenhaus ermöglichen könnte.

  • Es gibt kein einziges differentialdiagnostisches Instrument
  • Ausschließlich Selbstbeurteilungsfragebögen, welche subjektive Probleme abfragen und das selbst wahrgenommenes Burnoutrisiko abfragen
  • Einzig die Dimension emotionale Erschöpfung als Kardinalsymptom lässt sich eindeutig mit Burnout verbinden
  • Somatische und psychosomatische Begleiterscheinungen
  • Begleitphänomene aus den Arbeitsverhältnissen
  • Herzfrequenzvariabilitätsprüfung - „Lebensfeuer, Schlafverhalten“

Erschöpfungsdepression

Denn hinter einer tatsächlichen „Burnout-Krise“ verbirgt sich im Regelfall eine klinische Störung – im fortgeschrittenen Stadium ist es eine Erschöpfungsdepression! Wird alles gleich zu „Burnout“ hochstilisiert, diskriminiert das Personen mit tatsächlichen „Burnout-Krisen“, die - je nach erreichtem Stadium - möglicherweise gar nicht mehr die Wahl zwischen Weiterarbeiten und Krankenstand haben! Klar ist, es geht beim Thema „Burnout“ immer wieder um Grenzziehung, um die Notwendigkeit,  auch „NEIN“ sagen zu können.

Und auch auf der Zeitschiene hat eine Burnout Krise eine längere Entwicklung und entsteht nicht abrupt von einem Tag auf den anderen – hier wäre mindestens von einem halben Jahr zu sprechen.

Bei meinen Vorträgen versuche ich, dem entsprechend Rechnung zu tragen und beginne oft mit dem Einstieg, „von was reden wir heute nicht, wenn wir von „Burnout“ reden“ (in Anlehnung an die unbedingt notwendige Abgrenzung laut Erich Gamsjäger, der bereits 1994 eine empirische Studie über Burnout erstellt hat):

Zeitlich begrenzte Phase starker Belastung

Als ersten Punkt nennt er dabei eine zeitlich begrenzte Phase starker Belastung und er führt aus: Fühlt sich jemand infolge intensiver Arbeit erschöpft und ausgelaugt, kann es sich zunächst um eine völlig normale, gesunde Müdigkeit handeln. Als Beispiel sei hier eine besondere Projektarbeit erwähnt: Eine solche Zusatzaufgabe bedarf neben dem Alltagsbetrieb zusätzlichen Aufwands. Kommt dabei ein Gefühl der Erschöpfung auf, hat das (noch) nichts mit „Burnout“ zu tun.

Persönliche Krise / Krisensituation

Der zweiten Punkt zählt er eine persönliche Krise oder Krisensituation auf: Erschöpfung und Verzweiflung kann einen Menschen auch dann treffen, wenn dieser sich in einer persönlichen Krise befindet, wie zum Beispiel durch den Verlust eines geliebten Menschen in Folge Trennung oder Tod. Dabei handelt es sich jedoch meist um Krisensituationen, die – auch wenn noch so schmerzhaft – mit Geduld und Ruhe überwunden werden können. Auch hier handelt es sich (noch) nicht um „Burnout“.

Jammern

Und als letzten und dritten Punkt beschreibt er das Jammern: Oft haben Menschen ein ausgesprochenes ausgeprägtes Anerkennungsbedürfnis. Bekommen diese nicht genug Aufmerksamkeit, kommt es oft vor, dass sie zu Jammern und Klagen beginnen, wie schwer nicht alles ist und wie ausgebrannt sie sind. Dieser Zustand sollte keinesfalls mit „Burnout“ verwechselt werden. Im Gegenteil – solche Menschen tragen immens zu Verwirrung um die Begrifflichkeit „Burnout“ bei. Personen, die tatsächlich von „Burnout“ betroffen sind, wollen diese Tatsache in der Regel nicht anerkennen, ja verleugnen sie sogar – wie durch die Wissenschaft belegt – und wollen keinesfalls damit bei Mitmenschen Bedauern erwecken!

Psychopharmaka zur Bewältigung des Arbeitsalltages

In den von mir geführten Interviews wurde mir von meinen InterviewpartnerInnen berichtet, dass an ihren Arbeitsplätzen im KollegInnenkreis die Einnahme von Psychopharmaka – um den beruflichen Alltag ertragen und bestehen zu können – im Zunehmen begriffen ist und damit schon langsam an Normalität gewinnt! Diese Aussagen decken sich auch mit einer statistischen Zahl – 2009 nahmen 15 % der ÖsterreicherInnen regelmäßig Psychopharmaka, zehn Jahre zuvor waren es noch 8 %. Ich frage mich da schon ernsthaft, muss denn eine gesunde Wirtschaft tatsächlich kranke MitarbeiterInnen erzeugen?

Produktivitätssteigerung von knapp 36 % in 20 Jahren

Die Steigerung der Produktivität in Deutschland von 1991 bis 2011 betrug eindrucksvolle 35,9 %. Und hinter diesen Zahlen stehen Menschen, für die sich im beruflichen Alltag während dieser Zeit viel verändert hat, die da auch finanziell wohl kaum von diesen eindrucksvollen Wirtschaftszahlen profitiert haben, möglicherweise haben sie da auch noch gesundheitliche Schäden erlitten.

Aussagen der Pensionsversicherungsanstalt

Sehr betroffen hat mich eine Informationsveranstaltung der Pensionsver-sicherungsanstalt am 15.09.2010 in der Kürnberghalle in Leonding gemacht. Der stellvertretende Chefarzt Dr. Pirich zog Bilanz: Die PVA bietet nun seit 10 Jahren für DienstnehmerInnen mit der Diagnose von psychiatrischen Erkrankungen in eigens dafür eingerichteten Rehabilitationseinrichtungen seit dem Jahr 2000 Rehabilitionsaufenthalte in der Dauer von sechs Wochen an. Nach zehn Jahren hat die PVA nun den weiteren Werdegang sämtlicher AbsolventInnen solcher Aufenthalte erhoben und war vom Ergebnis offensichtlich selbst sehr schockiert:

Nur 20 % der Absolventen konnten im Berufsleben verbleiben, den anderen 80 %  blieb offensichtlich – da die Arbeitsfähigkeit nicht mehr herzustellen war – nur der Weg in die Berufsunfähigkeitspension. Kommentiert wurde dies von Dr. Pirich lapidar mit „… ist der Zug einmal angefahren, ist er nicht mehr zu stoppen“. Gleichzeitig richtete er aber einen eindringlichen Appell an die Unternehmen: „Es muss etwas passieren, volkswirtschaftlich ruiniert das unser Pensionssystem, wenn 35 Jährige auf Grund von massiver beruflicher Überlastungen nicht mehr arbeitsfähig werden. Bitte werft ein Auge auf Eure MitarbeiterInnen und deren Arbeitsbedingungen.“ (Pirich, 2010).

Unternehmen Wahnsinn

Einen sehr eindrucksvollen Einblick in die Arbeitswelt von heute gibt Theresia Volk in ihrem Buch „Unternehmen Wahnsinn“, welches 2011 erschienen ist. Ihre Erkenntnisse, Erfahrungen und Wahrnehmungen hat sie als Management- und Organisationsberaterin und langjährige Führungskraft in Industrie- und Beratungsunternehmen gemacht – sie ist auch Stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Lehrtrainerin für Organisationsentwicklung.

Sie fasst zusammen: Leistungsträger haben den steigenden Effizienzdruck zunächst begrüßt, sie versprachen sich dadurch eine größere Leistungsgerechtigkeit. Mit ihrem Einsatz ist der Effizienzdruck weiter gestiegen, dass nunmehr auch sie – weil sie oftmals überfordert sind – selbst auf der Strecke bleiben.

Effizienzdruck versus Verlust an Kreativität

Nach ihren Beobachtungen führt Effizienzdruck zu einem Verlust an Kreativität. Kreativität braucht Raum und kann sich nur in Zeiten und Räumen entfalten, die vom Effizienzdruck entlastet sind. Statt Kreativität wird nun Standardisierung begünstigt.

Faktor Perfektion

Psychiater und Neurologen, bei denen PatientInnen mit Burnout Krisen in den höheren Stadien landen, beschreiben, dass sie bei diesen immer feststellen, dass das Thema „Perfektion“ in deren Leben einen sehr hohen Stellenwert einnimmt!

Fortlaufende Veränderungsprozesse

Oftmals werden Veränderungsprozesse abgebrochen und durch neue Veränderungsprozesse ersetzt, ohne dass man die Ergebnisse eines Prozesses abwartet. Diese Überlagerung von Veränderungsprozessen ist die Folge eines Karrieremechanismus: Wer über Veränderungsideen verfügt, steigt auf und muss seinen Aufstieg mit neuen Veränderungsideen rechtfertigen. Der permanente Zwang, sich innovativ zu zeigen, geht zunehmend mehr und mehr auf Kosten der Arbeits- und Leistungsqualität.

Dokumentations- und Evaluationspflichten

Um die Qualität von Arbeitsleistungen zu sichern und zu steigern, werden zunehmend zeitaufwändige Dokumentations- und Evaluationspflichten eingeführt. Die Verwaltungsarbeit in Organisationen werden damit unverhältnismäßig vermehrt, was viel Zeit kostet, was auf Kosten der Zeit für die tatsächliche Arbeitsleistung geht. Genau das nehme auch ich beruflich wahr, gerade im Sozialbereich nimmt die Dokumentation einer gerade verrichteten Tätigkeit häufig mehr Zeit in Anspruch als die vorgenommene Tätigkeit selbst.

Mit Vorgaben und Kontrollen zur reinen Ergebnissteuerung

Es gibt neue Formen der Steuerung von Arbeit, die von einem rigiden System von Vorgaben und Kontrollen immer mehr zu einer reinen Ergebnissteuerung übergehen, der die persönliche Arbeitsleistung wenig bedeutet. Auch hier kann ich auf eigene Erfahrungen verweisen, seit 17 Jahren bin ich ehrenamtlich als Sachwalter tätig und erlebe, dass sich in diesem Bereich in dieser Zeit sehr viel verändert hat: Hauptberufliche Sachwalter haben heute doppelt so viele Sachwalterschaften abzuwickeln als seinerzeit zu Beginn meiner Tätigkeit. Zufriedenstellend erledigt ein Sachwalter seine Tätigkeit dann, wenn die Aktenführung lückenlos und perfekt ist. Das Problem dabei: Für die tatsächliche Arbeit mit den KlientInnen steht kaum mehr Arbeitszeit zur Verfügung und „Beziehungsarbeit“, die früher im Zentrum der Tätigkeit stand, ist nun nicht mehr möglich.

Pflegenotstand

Wohin soll es führen, wenn junge Menschen, die sich für die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres entscheiden, nach wenigen Wochen frustriert feststellen müssen, dass sie im pflegerischen Alltag in einem Pflegeheim nicht entsprechen, da sie die Vorgabe nicht länger als 10 Minuten in einem Zimmer bei einer Bewohnerin verbringen zu dürfen, nicht schaffen … sie hätten tunlichst keine Kommunikation zu pflegen sondern sich nur auf die pflegerische Tätigkeit zu konzentrieren. Wo bewegt sich unsere Gesellschaft hin, wie werden denn Pflegeplätze in 20 – 30 Jahren aussehen, wenn die Demenzerkrankten laut Berechnungsprognosen von zuletzt 100.000 in Österreich im Jahr 2030 auf 250.000 bis 270.000 steigen wird. Welche Qualität wird die Betreuung dann noch haben?

UnternehmerInnen der eigenen Arbeitskraft

Vormals eindeutig definierte Arbeitsaufgaben werden diffuser, und DienstnehmerInnen sind heute mehr als früher für vielerlei Arbeitsbedingungen an ihrem Arbeitsplatz selbst verantwortlich. Die einst getrennten Sphären von Arbeit und Leben verschwimmen. Damit ergibt sich eine Veränderung der Beruflichkeit: DienstnehmerInnen werden zu UnternehmerInnen ihrer eigenen Arbeitskraft. Sie müssen sich selbst organisieren, vermehrt wirtschaftlich Verantwortung tragen und dabei ihr eigenes Handeln sowie die Entwicklung und Vermarktung ihrer Fähigkeiten selbst kontrollieren.

Das birgt Chancen und Risiken (je nach Branche, individuellen Ressourcen) und hat langfristige Auswirkungen auf die Erwerbsorientierung. Aber: Die rein auf kurzfristige Ziele orientierte Arbeitsorganisation hat neben wenigen GewinnerInnen vor allem DienstnehmerInnen, die in Gefahr stehen, den Anschluss zu verlieren und zu den Modernisierungsverlieren zu gehören.

Die Arbeits-/Anforderungsintensität hat in den meisten Organisationen deutlich zugenommen: Arbeitsprozesse werden verdichtet und beschleunigt, Nischen beseitigt. Möglicherweise ist für manche DienstnehmerInnen diese Intensivierung eine Quelle der Arbeitsmotivation, für die meisten stellt sie eine Quelle von Belastungen dar, die sie über kurz oder lang nicht mehr bewältigen.

Erwartungshaltung der Dienstgeber: Jederzeit an die eigenen Grenzen der Arbeitskraft zu gehen

Bei der betrieblichen Erwartung an die DienstnehmerInnen, jederzeit an die eigenen Grenzen der Arbeitskraft zu gehen, stehen die physische und vor allem die psychische Gesundheit auf dem Spiel, besonders dann, wenn Tätigkeiten zu leisten sind, für die keine entlastenden Routinen zur Verfügung stehen. Die steigende Arbeits- und Anforderungsintensität macht krank oder führt zu einer inneren Kündigung, die aber sicherlich nicht der Gesunderhaltung dient.

Selbstwert versus Karriere

Theresia Volk führt weiter aus, dass auch Leistungsträger lernen müssen, ihren Arbeitseinsatz aus Gründen eines psychosomatischen Selbstschutzes zu dosieren. Das schließt ein, ihr Selbstwertgefühl nicht an die Karriere zu binden! Vielmehr ist Enttäuschungsprophylaxe angesagt: Denn keineswegs werden alle erforderlichen Anstrengungen, „gute Arbeit“ zu leisten, zwangsläufig durch Aufstieg oder auch nur Kündigungsschutz belohnt!

Mythos Leistungsverdichtung versus Leistungstilgung bzw. Erfolgs-verdichtung

Mythos Leistungsverdichtung: In einer bestimmten Zeit wird von weniger Leuten mehr geleistet: Haben vorher zwei Personen drei Stunden lang eine Leistung erbracht, macht das sechs Leistungsstunden. Nach der Umorganisation erbringt eine Person zwei Stunden diese Leistung. Das bedeutet eine Leistungstilgung von vier Stunden. Diese Leistung steht nun nicht mehr zur Verfügung. Es geht also nicht um eine Leistungsverdichtung, sondern um eine Anforderungsverdichtung (mehr Tempo, weniger Personal, mehr Unübersichtlichkeit, mehr Druck). Ob mit dieser Anforderungsverdichtung mehr Leistung erbracht wird (Wunschvorstellung), bleibt offen … Relevant ist es, Ziele zu erreichen oder zu übertreffen. Was Leistungsverdichtung heißt, müsste also Erfolgsverdichtung heißen.

Ständig unter Bewährung

Während immer mehr Leistungsverdichtung gefordert wird, erlebt der Einzelne, dass er immer weniger wirksam werden kann, also immer weniger leistet … und der Erfolg ist kurzweilig. Was gestern war, ist schon wieder endgültig vorbei! Die Frage ist, wie sich der Erfolg  bei zukünftigen Projekten einstellt, ist man diesen gewachsen? Man ist immer gefordert, und frühere Erfolge sind Vergangenheit und zählen nicht mehr!

Mangelnde Anerkennung am Arbeitsplatz

In der Stressforschung ist bekannt: Mangelnde bzw. keine Anerkennung am Arbeitsplatz bedeutet, man wird sozial nicht wahrgenommen! Und wenn das trotz maximaler Anstrengung nicht passiert, „der Einsatz keine Würdigung erfährt“ (Geray, 2010), dann macht das mit den Betroffenen sehr wohl etwas! Und für eine „normale“ solide Arbeitsleistung, gibt es schon lange keine wirkliche Wertschätzung mehr. Es sind bestenfalls die außerordentlichen Leistungen, die da mal kurze Erwähnung finden.

Fehler und Vertretungsfragen

Eine Supervisiorin hat mir bei einem Erfahrungsaustausch gesagt, sie fragt bei Burnout KlientInnen immer, ob es im Betrieb erlaubt ist, Fehler zu machen. Für sie ist das eine ganz zentrale Frage, die meist vieles über das Arbeitsklima, die Atmosphäre etc., vorwegnimmt. Ihre zweite Frage betrifft dann in der Regel den Umgang mit Personalersatz und geregelten Vertretungen im Fall von Krankenständen, Urlauben und anderen Abwesenheiten.

Erschöpfte Arbeitswelt

Dass Arbeit uns Gesundheit im Konflikt liegen, beschreiben Kratzer, Dunkel und Menz 2011 wie folgt:  Es ist nicht die Arbeit an sich, die krank macht – keine Arbeit kann ja auch krank machen. Es sind also vielmehr die Bedingungen, unter den gearbeitet wird, wie Arbeit gestaltet, organisiert und reguliert wird. Mit dem Mehr an Spielräumen, Entscheidungen, Flexibilitäten, flachen Hierarchien und Selbstorganisation sowie schlanken Strukturen ist offensichtlich die Arbeitswelt nicht besser geworden. Wenn also von der „erschöpften Arbeitswelt“ (Badura/Steinke 2011) die Rede ist, dann stimmt etwas nicht in der neuen Arbeitswelt.

Mehr arbeiten und nie fertig werden

Viele Beschäftigte arbeiten immer mehr und werden dennoch nicht fertig. Das macht sie unzufrieden und unglücklich und häufig auch krank. Und oft fehlt dazu auch die schlüssige Erklärung, was denn nicht passt. Grund dafür sind die Rahmenbedingungen, auch die Vorgesetzten, aber irgendwie ist man auch selber mit Schuld oder eben nicht so fähig, wie man es sein sollte! Offensichtlich nicht gut genug organisiert – sonst wäre ja alles zu schaffen – und dann möglicherweise auch nicht effizient genug, um auch noch für die eigene Gesundheit etwas zu tun! Da bleibt wohl nur eine Möglichkeit: Immer mehr arbeiten, immer intensiver dabei werden, einfach den Turbo einschalten – denn irgendwie muss es ja gehen! Der Raubbau an den eigenen Ressourcen wird ja nicht sofort verspürt.

Oder doch als Alternative – der Zeitgeist ist ja bekannt – den Rückzug antreten, alles nicht so ernst nehmen, Grenzen setzen und sich im „Nein-Sagen“ üben? Beides ist möglich und beides hat seinen Preis.

Mit der ersten Variante wird man beruflich besser aussteigen, geht dabei aber privat wie gesundheitlich ein großes Risiko ein. Mit der Entscheidung für die zweite Variante, mit der man sich bewusst vor beruflicher Überlastung und deren negativen Folgen schützen kann, entzieht man sich wohl trotzdem nicht dem Druck der Anforderungen. Dazu kommt dann, dass man mit den Arbeitsergebnissen unzufrieden ist, das Klima mit den KollegInnen wird dabei kaum verbessern, die Vorgesetzten sind unzufrieden.

„Was der Markt verlangt?“

In dieser Zwickmühle stecken heutzutage viele. Die Organisation und  die Steuerung von Arbeit haben sich in vielen Unternehmen stark verändert. Primär geht es heute darum, „was der Markt verlangt“ – und erst danach, was das Unternehmen und die Beschäftigten tatsächlich leisten können. D. h. es wird nicht überprüft, wie viel Personalkapazitäten wird benötigt, um eine gewisse Leistung zu erbringen sondern den vorhanden MitarbeiterInnen wird einfach Ihr Ziel vorgegeben. Somit treten Leistungserwartung und Leistungsfähigkeit systematisch auseinander, prinzipiell „maßlose“ (Markt)anforderungen treffen auf natürlich begrenzte Ressourcen, Arbeit und Gesundheit geraten in Konflikt. Und die DienstnehmerInnen: Für sie scheint es nur die Wahl zwischen Raubbau und Rückzug zu geben.

Leistungsfähigkeit und Energiereserven erschöpfen sich

Leistungsfähigkeit und Energiereserven erschöpfen sich …. Immer wieder ist von Burnout Betroffenen zu hören, dass sie nicht damit gerechnet hätten, dass bei ihnen plötzlich gar nichts mehr geht. Die Erfahrung der eigenen Begrenztheit, dass der Körper nicht mehr in der Lage ist aufzustehen, dass der Gang zum Lebensmitteleinkauf bereits alle zur Verfügung stehenden Leistungsreserven eines Tages aufgebraucht hat, fühlt sich beängstigend an. Der Körper gehorcht nicht mehr und dieser Schwäche ist man hilflos ausgeliefert. Erschöpfungsdepression und körperlicher Zusammenbruch charakterisieren den tiefsten Punkt einer Burnout Krise.

Politisch geplante Missstände im Sozialbereich

Am 8. November 2008 war ich vom Verein zur Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahres zur festlichen Feier des 40jährigen Bestehens dieser Organisationeingeladen. Als Gastredner hielt der Theaterautor und auch als Supervisor tätige Thomas Baum (2008) eine brillante Festansprache. Leider zu einem Zeitpunkt, als die offizielle Begrüßung und die Lobreden der Politiker schon beendet waren und diese der Feierlichkeit (bewusst) nicht mehr beiwohnten!

Thomas Baum beschrieb ungeschminkt, dass die Politik ganz bewusst Missstände im Sozialbereich – nach lediglich finanziellen Vorgaben – einplant und damit äußerst verantwortungslos bis grob fahrlässig mit den dort tätigen DienstnehmerInnen und ihren PatientInnen, KlientInnen etc. umgeht! Da wurden offene und mutige Worte in einer Klarheit formuliert, die ganz selten zu finden ist! 

Die von Thomas Baum 2008 beschriebene Situation hat sich seit damals vielfach bestätigt und entsprechend weiter verschärft. Ein Ende dieses von der Politik eingeschlagenen Kurses ist weit und breit nicht in Sicht!  Dazu eine Überlegung von mir: Der Sozialbereich ist in der heutigen Leistungsgesellschaft weitestgehend isoliert: Dort werden keine Wirtschaftsleistungen erbracht, oft wird dargestellt, dass dieser Bereich nur etwas kostet, also die Erträge (wesentlich) der Wirtschaft damit vermindert.

Der oder die „Nichtleister“ sind damit für die Leistungsgesellschaft wertlos. Im Sinne von Übertragung wird diese „Wertlosigkeit“ auch jenen Menschen attributiert, die sich um das Wohl von Pflege- und Hilfsbedürftigen kümmern. Und es ist für die handelnden Politiker in der neoliberalen Gesellschaft, die sich nicht mit den Schattenseiten des Lebens wie Leid, Not, Schmerz oder Tod beschäftigen will oder kann, nicht populär, sich um diesen Bereich wirklich ernsthaft zu kümmern! Dass die Wirtschaft völlig zum Stillstand kommen würde, würde einen einzigen Tag lang jede/r MitarbeiterIn im Sozialbereich seine oder ihre Tätigkeit nicht ausüben, würden auch noch zusätzlich die KindergärtnerInnen und LehrerInnen aussetzen, wären die Leistungserbringer an diesem Tag wohl damit beschäftigt, sich um ihre kranken, pflegebedürftigen Angehörigen oder zumindest um ihre Kinder zu kümmern. 

Führung und Gesundheit

Auch der Aspekt Führung und Gesundheit scheint mir wichtig: In unserer Arbeitswelt mangelt es gravierend an der sozialen Kompetenz der Führungskräfte (Badura, Rixgens, 2011). Wenn von zehn Interaktionen zwischen Vorgesetzten und ihren MitarbeiterInnen nach neun dieser Interaktionen die MitarbeiterInnen danach Frust, Enttäuschung, Ärger, Traurigkeit, Wut, Ohnmacht oder Kränkung empfinden und dies häufiger der Grund für Stress und Überlastung ist als der eigentliche Arbeitsstress an sich, da scheint es sinnvoll, den Blick auch auf diesen Umstand zu richten. Die Hauptaufgabe von Führungskräften – so Badura – wäre es zu überlegen, wie demotiviere ich meine MitarbeiterInnen nicht?

Unternehmenskultur (gemeinsame Überzeugungen, Werte, Regeln und Verhaltensweisen) wird zum wichtigsten Führungsinstrument – wenn sie von den Mitarbeitern als „gelebt“ erfahren wird.

Führungskräfte ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, Zeit für ihre Mitarbeiter haben, sich konsistent verhalten, empathisch und begeisterungsfähig sind.

Mitarbeiter von Vorgesetzten und Kollegen unterstützt und wertgeschätzt werden.

die kollektive Intelligenz des Unternehmens mobilisiert wird, z.B. durch Beteiligung, Befragung, und offene Diskussion von Mängeln und Problemen und die Mitarbeiter dadurch eine starke emotionale Bindung an ihr Unternehmen entwickeln können.

Zahlreiche Studien belegen, dass schlechte Führung Demotivation und höhere Fehlzeiten bei MitarbeiterInnen und damit auch schlechte Betriebsergebnisse verur-sacht.  Aber auch Präsentismus wird dadurch begünstigt, darunter verstanden wird das Arbeiten trotz psychischer oder physischer Beeinträchtigung, mit dem Risiko sich (weiter) verschlechternder Gesundheit und verminderter Qualität und Produktivität. Gute Führung hingegen kann das Sozialkapital eines Unternehmens und damit das Betriebsergebnis positiv beeinflussen. Führung und Gesundheit sind mehrfach miteinander verbunden: Gesundheit und Gesundheitsförderung müssen in Unternehmen mit übergeordneten betrieblichen Zielbereichen abgestimmt, systematisch organisiert und koordiniert werden – dies betrifft die Managementfunktion von Führung. Gleichzeitig hat die Art und Weise, wie MitarbeiterInnen geführt werden, wie und in welchem Umfang Informationen an Mitarbeiter weitergeleitet werden, wie Teamarbeit und wie einzelne Mitarbeiter gefördert und unterstützt werden, Auswirkungen auf das Erleben und die Gesundheit der Mitarbeiter. Dies betrifft die unmittelbare Mitarbeiterführung.

In dieser Funktion tragen Führungskräfte darüber hinaus durch ihre besondere Vorbildfunktion Verantwortung. Sie sind Vorbild dafür, wie mit den eigene Belastungen und Ressourcen und der eigenen Gesundheit umgegangen wird. Und schließlich ist die Gesundheit der Führungskräfte selbst zu betrachten, denn erschöpfte oder kranke Führungskräfte bedeuten für ein Unternehmen ebenso ein Risiko wie erschöpfte und erkrankte MitarbeiterInnen.

Fehlzeiten von MitarbeiterInnen messen auch das Sozialkapital des Unternehmens, die Führung, die Kultur und das Betriebsklima. Je weniger dieses Sozialkapital positiv empfunden wird, desto mehr leidet die Gesundheit darunter!

Mobbing und Burnout

Durch gezieltes Mobbing können MitarbeiterInnen auch bewusst in eine Burnout Situation getrieben werden. Laut Mobbing-Forschung sind bis zu 50 % der Mobber Führungskräfte. Mit gezielten, ständig überbordenden Arbeitsaufträgen wird so letztlich das Ziel erreicht werden können, „unliebsame“ MitarbeiterInnen in dieser Form loszuwerden, indem ihre Gesundheit ruiniert wird.

Gesunde Führung

Der Einfluss von Führungsverhalten auf das soziale Klima – die Organisationskultur im weitesten Sinne – ist hinlänglich bekannt. Die Empfehlungen, die Gesundheits- und Organisationsexperten für „gesunde Führung“ geben, werden Mediatoren und andere Berater mit humanistischer Grundausrichtung nicht sonderlich überraschen. In ihrem erfahrungsgesättigten Buch „Führung und Gesundheit“ behandelt Anne Katrin Matyssek die Essentials gesunder Führung, die sie den korrespondierenden Dimensionen krankmachender Führung gegenüber stellt.

Anerkennung / Lob / Wertschätzung

Interesse / Aufmerksamkeit

Aktive Gesprächsführung / Einbeziehen

Transparenz / Offenheit

Führung durch Vertrauen / Ressourcen-Orientierung

Stressbewältigung / Belastungsabbau / Ressourcenaufbau

Umgang mit sich selbst: Wertschätzung als Haltung - Self Care“

Krankmachende Führung

Destruktive Kritik / Fokus auf Fehler

Kontakt Ignorieren / Bevorzugung einzelner MitarbeiterInnen

Engmaschige Kontrollen / Entreißen von Aufträgen

Pokerface / willkürliche Entscheidungen

Führung durch Misstrauen / Defizit-Orientierung

Zusätzliche Druckerhöhung (enge Zeitvorgaben)

Umgang mit sich selbst: Mangelnde Wertschätzung und Selbstfürsorge

Diese Faktoren sind Essentials der Primärprävention: Welcher Geist soll in einer Organisation herrschen, damit die Beschäftigten gesund bleiben? Auch die Entwürfe für Betriebliches Gesundheitsmanagement basieren auf diesen Prinzipien.

Was aber tun, wenn trotz eines propagierten BGM dennoch nicht alles rund läuft? Wenn trotz guten Willens zu einem wertschätzenden Führungsstil die Kraft oder die Skills nicht ausreichen, um den Widrigkeiten des Betriebsalltags erfolgreich zu trotzen?

„Burnout-Konflikte“ – die Führungskraft in der Zwickmühle

Nehmen wir an, ein Unternehmen macht sich auf den Weg zu einem gesünderen Betriebsklima. Die Führungskräfte wurden sensibilisiert. In einem „Resilienztraining“5 haben sie die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Ressourcen orientierter Führung verstanden – und sie haben auch verstanden, dass ohne ein gewisses Maß an „self care“ (Matyssek), d.h. einer Sorge um die eigene Gesundheit, kein Blumentopf zu gewinnen ist. Sie kehren zurück in den Betrieb. Nach ersten Erfolgen

hat sie der Alltag wieder: zynische Sprüche von Kollegen, Rückfall in alte Muster – und wieder jagt eine Stressspitze die nächste.

Aber ein Stück Sensibilisierung ist geblieben. Die Führungskraft wird aufmerksam auf eine Mitarbeiterin, die in ihrem Leistungs- und Aufopferungswillen ihre Grenzen zu überschreiten droht.

Das sind oft die Leistungsträger, die Säulen des Teams, die „plötzlich“ in der Klinik landen. Oder die Führungskraft wird von einem Mitarbeiter angesprochen, der sich „in letzter Zeit so schlapp und ausgelaugt fühlt“ und dringend um eine Auszeit bittet – dummerweise mitten im Projektendstress.

Was soll die Führungskraft tun?

Im Beziehungsgeflecht einer Organisation – reduziert auf die drei Positionen Führungskraft, Mitarbeiter/in und Teamkollegen/innen – gilt es konkret anzuschauen:

Die Erfahrung zeigt: In solchen Fällen braucht es unabhängige, allparteiliche Berater und Vermittler, die den Beteiligten Wege aufzeigen, aus ihren Sackgassen heraus zu kommen. Ähnlich ihrer Aufgabe, Konflikte sachlicher ansprechbar zu machen, können Mediatoren die Betroffenen darin unterstützen, die Probleme, deren Lösung durch Tabus im Umgang mit Leistungsabfall, Burnout und seelischen Erkrankungen blockiert werden, ansprechbar zu machen.

Präsentismus

In einer Untersuchung von Bernhard Badura stellt dieser fest, dass bei 9 von 10 Interaktionen MitarbeiterIn / Führungskraft die MitarbeiterIn danach frustriert, verletzt, verärgert ist. Es fehlt den Führungskräften an sozialer Kompetenz, an Empathie, an wertschätzenden Konfliktlösungsstrategien. Die Hauptaufgabe von Führungskräften ist laut Badura „Kommunikation“ und sich bewusst der Aufgabe zu stellen „Wie demotiviere ich meine MitarbeiterInnen nicht?“. Hier muss angesetzt werden, denn mit frustrierten, verletzten und verärgerten – wenig wertgeschätzten – MitarbeiterInnen lassen sich kaum unternehmerischer Erfolge erzielen bzw. provoziert das „Präsentismus“ bei den MitarbeiterInnen (d. h. sie sind zwar körperlich anwesend aber keineswegs motiviert tatsächlich Engagement an den Tag zu legen).

Mediation bei Burnout-Konflikten

macht Konflikte – das Tabuisierte – besprechbar

sensibilisiert für systemische Zusammenhänge

klärt Verantwortung zwischen den richtigen Stellen

führt zu konkreten Lösungen dort, wo es klemmt

fördert den Mut, sich mit den Dilemmata einer aus den Fugen geratenen Arbeitswelt auseinanderzusetzen

Flankierende Maßnahmen eines Burnout-sensiblen Konfliktmanagements:

Vorträge und Tagesworkshops zur Information und Sensibilisierung

Burnout-kompetentes Konfliktcoaching und Resilienz-Trainings für Führungskräfte und Teams

Fortbildung für Führungskräfte im Umgang mit seelisch belasteten Mitarbeitern

Erstellung eines Ressourcen- und Belastungs-Profils der Organisation/Abteilung

Einbettung in bestehende Programme zur Gesundheitsprävention

BURNOUT verstehen und vorbeugen

Auszüge aus: „Wenn Hilfe zur Last wird – Belastungen im Alltag der Jugendhilfe. Hrsg. Kinderschutzzentren Köln, 2012 bzw. aus einem Skript von Dr. Martina Süss, Linz.

Burnout verstehen – Wirkmechanismen des Burnoutprozesses – Burnout Kurzdefinition = schleichender Prozess arbeitsbezogener Erschöpfung.

PERSON – Innere Welt

GESELLSCHAFT – Berufliche Umwelt / Private Umwelt

Die Ursachen für Burnout Prozesse sind auf vielen Ebenen zu finden. Wenn wir aber auf unsere eigene innere Welt schauen, können wir drei zentrale Wirkmechanismen beobachten, die ins Burnout führen:

1) Selbstentfremdung

Die amerikanische Psychologin Christine Maslach bezeichnet Burnout als das ernste Zeichen eines breiten Auseinanderklaffens zwischen dem, was eine Person ist und was eine Person tut.

Wer bin ich, meine Bedürfnisse, Werte, Kompetenzen, Grenzen, mein Selbstempfinden und das was ich tue – mein berufliches Handeln – klaffen immer stärker auseinander.

Die Folge ist eine Entfremdung von sich, von anderen und von der Arbeit.

Zunehmendes Erleben von Inkongruenz, Gefühllosigkeit, Fremdbestimmtheit, eine „Erosion der Seele“ stellt sich ein.

Es entwickelt sich eine Abstumpfung der eigenen Werte, der eigenen Würde, des eigenen Willens – der eigenen Selbstwahrnehmung.

So entsteht ein Zustand der Selbstentfremdung, der graduell und kontinuierlich wächst, wenn nichts dagegen unternommen wird.

2) Belastungs-Ressourcen-Missbalance

Jedes Burnout beginnt mit einer länger andauernden Phase der Belastung.

Dass erlebte Anforderungen und gelebte Ressourcen nicht immer in Balance sind, ist im Leben normal.

Wichtig ist es, auf die Beweglichkeit der Belastungs-Ressourcen Balance zu achten.

Wenn man in einer Situation lebt und arbeitet, in der die Arbeit mehr verlangt, als man geben kann und man weniger zurück erhält, als man benötigt, dann ist man gefährdet.

Zeiten, in denen Belastungen überwiegen, brauchen als Ausgleich Zeiten, in denen Ressourcen gut gepflegt werden.

Wenn diese Balance längerfristig aus dem Gleichgewicht kommt, weil Anforderungen zu hoch sind, entsteht die Gefahr einer chronischen Missbalance, in der Energiereserven unseres Organismus angezapft werden.

Körperliche und seelische Stressfolgen stellen sich ein.

3) Leistungsfähigkeit und Energiereserven erschöpfen sich

Zu den eindrücklichsten Erfahrungen gehört es, wenn Betroffene schockiert erzählen, dass sie nicht damit gerechnet hätten, dass auf einmal „nichts mehr geht“.

Die Erfahrung der eigenen Begrenztheit, die Erfahrung, dass der Körper nicht mehr in der Lage ist aufzustehen, dass der Gang in den Supermarkt bereits alle zur Verfügung stehenden Leistungsreserven eines Tages aufgebraucht hat, diese Erfahrung fühlt sich unerklärlich, bestürzend, beängstigend an.

Der Körper (aber auch die kognitiven Fähigkeiten) gehorchen nicht mehr und man ist dieser Schwäche hilflos ausgeliefert.

0 -100 % Leistungsfähigkeit

Das arbeitsmedizinische Modell von Graf 1961 und Schlick 2012 über den Zusammenhang von Energieeinsatz und Leistungsfähigkeit lässt verstehen, wie lange anhaltender Stress in schleichendes Verausgaben führt. Es wird davon ausgegangen dass jede Frau und jeder Mann ein Spektrum von 0 – 100 % Leistungsfähigkeit hat. Je nachdem wie viel wir von unserer Leistungsfähigkeit einsetzen, soviel Energie, Kraft und Willen brauchen wir, um uns zu mobilisieren.

0-15 % Leistungsfähigkeit (automatisierte Leistungen – ohne Willenseinsatz)

0-15 % unserer Leistungsfähigkeit sind unwillentlich aktiviert. Darunter fällt alles, was  unser Körper von selber macht, wie beispielsweise atmen, verdauen, essen aufnehmen, der Betrieb unserer Körperfunktionen. Das alles passiert automatisch, ohne dass wir etwas dazu tun müssen.

40-70 % Leistungsfähigkeit (mit Willen – im Tagesverlauf veränderliche Leistungskurve)

Im Bereich von 15 – 70 % kennzeichnet wiederum der Bereich von 40 – 70 % die Zone der optimalen Leistungsbereitschaft. Hier sind Wille und Motivation nötig, um Energie zu mobilisieren, mit der wir unsere Tätigkeiten angehen. Das tatsächliche Leistungsausmaß ist von Person zu Person verschieden und hängt von Einflussfaktoren wie Disposition, Gesundheitsgewohnheiten, Verhaltensmustern etc. ab. Wenn wir unseren Alltag so leben, dass wir innerhalb dieses Leistungsbereiches bleiben, gibt es über den alltäglichen Wechsel von Wach- und Schlafrhythmus hinaus keine Ermüdung. Unsere Energiereserven erneuern sich im Wechsel von Anspannung und Entspannung von selber.

70-85 % Leistungsfähigkeit (Dem Willen zugänglich – Höchstleistungen, verbraucht Reserven)

Wenn es darum geht, Verausgabungsprozesse zu verstehen, ist der Bereich von 70 – 85 % unserer Gesamtleistungsfähigkeit der Spannendste. In diesem Bereich geht es um die Bewältigung von Extra-Herausforderungen, um den Umgang mit besonderen Belastungen, besonders energieintensiven Projekten etc. Extra-Herausforderungen benötigen einen Extra-Leistungseinsatz und verbrauchen auch Extra-Energiereserven. D. h. wir können mit Willen und Anstrengung zusätzliche Reserven mobilisieren. Dabei zapfen wir Energiereserven an, die wir für Notfälle haben. Zu Beginn ist das immer mit einem Adrenalinschub und einem guten Gefühl der Leistungsfähigkeit verbunden. Die Gefahr liegt darin, zu übersehen, dass wir zum Ausgleich intensivere Entspannungsphasen brauchen. Schrauben wir unser Leistungsideal in den Bereich der Einsatzreserven hoch, leben wir von unseren Leistungsreserven. Die Folge ist eine schleichende Entwicklung chronischer Stresssymptome. Erste Anzeichen sind körperliche Erschöpfungs- und Verspannungszustände, die ein Frühwarnzeichen von Burnout darstellen.

85-100 % Leistungsfähigkeit (Dem Willen nicht zugänglich, Notfall – kurzfristig)

Noch höhere Leistungen im Bereich von 85 – 100 % sind zwar für begrenzte Zeit möglich, können jedoch wegen der Gefährdung der Gesundheit nur unter akuter Bedrohung der personellen Existenz (Todesangst) mobilisiert werden, es sei denn, die Mobilisationsschwelle wird durch pharmazeutische Manipulation, wie es das Doping darstellt, aufgehoben.

Über Angst wird nicht gesprochen

Tatsache ist, dass Faktoren wie steigende Arbeitslosigkeit, Angst vor Kündigung mit all ihren Folgen nicht nur ältere Berufstätige, sondern in zunehmendem Maß auch jüngere Menschen betreffen. Dazu kommen Ängste vor dem Versagen, dem Nicht-Genügen und dem Kontrollverlust im Beruf. Solche existenziellen Ängste können bereits Jahre bestehen, bevor Anzeichen der Überforderung für Familie, Freunde oder die Kollegenschaft merkbar werden.

Betroffene reagieren auf diese scheinbar bedrohliche Situation zunächst mit erhöhter Anstrengung im Job. Ebenfalls typisch: Sie sprechen nicht darüber. Die falsche Strategie – sinnvoll wäre es, sich in einer solchen Situation Hilfe zu holen.

Da die/der Vorgesetzte dafür häufig nicht in Frage kommt, können Kolleginnen und Kollegen oder auch die Arbeitsmedizinerin/der Arbeitsmediziner geeignete Ansprechpartner sein. Auch ein Coaching oder eventuell psychotherapeutische Unterstützung könnten helfen, ausreichend Distanz zu entwickeln.

Der Angstspirale entkommen

Ziel ist es, die Ängste zu benennen und konkrete Strategien zu finden, um der Angstspirale zu entkommen – noch bevor sich das Vollbild eines Burnouts oder einer Überlastungsdepression entwickeln kann.

Angst von außen

Ängste haben in Zeiten der Wirtschaftskrise sowie den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Entwicklungen insgesamt einen durchaus realen Hintergrund. Die Verantwortung dafür, gesund, aktiv und leistungsfähig zu bleiben, wurde in den letzten zehn Jahren zunehmend dem Einzelnen übertragen.

Dynamisch, flexibel, lebenslange Lernbereitschaft sind nur einige Eigenschaften, die vor allem auch von älteren Menschen im Beruf gefordert werden. Selbstoptimierung, Selbststeuerung und Selbstvermarktung sind die dazugehörigen Schlagworte.

Angst von innen

Hinzu kommt aber auch die Selbstausbeutung. Denn nicht alle Ängste entstehen direkt aus der Arbeitswelt. Die meisten Menschen sind auf den Gelderwerb im Hinblick auf Sinnstiftung, Selbstwert, narzisstische Homöostase – und der daraus entstehenden vermeintlichen Freiheit – angewiesen. Und sie sind bereit, sich bis an die Grenzen zu belasten, solange sie keine sinnvollen Alternativen sehen.

Drohender Teufelskreis

Das Leitbild des autarken Homo oeconomicus ist unabhängig und angstfrei. Negative Affekte wie Verzweiflung, Wut und Angst darf es in der modernen Arbeitswelt nicht mehr geben. Weiterbildung, Weiterentwicklung und Wachstum sind gefordert.

Kein Wunder, dass in diesem Sinne über bestehende Ängste nicht gesprochen wird. Denn das wiederum würde bedeuten, Schwäche zu zeigen. Und Ängste und Schwäche sind mit Scham besetzt. Doch damit setzt sich ein Teufelskreis in Gang, denn dieses Verhalten steigert die Ängste noch mehr.

Die Angst macht sich jedoch schon sehr früh auch körperlich bemerkbar, so die Arbeitsmedizinerin Dr. Ingrid Drossos-Stuller. Sie stellt in diesem Zusammenhang beispielsweise bereits bei jungen Menschen erhöhten Blutdruck, Herzrasen und Herzangst, Störungen im Magen-Darm-Trakt oder Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats fest.

Resilienz nützen

Eine wichtige, persönliche Ressource stellt in diesem Zusammenhang die Resilienz dar, also die Fähigkeit des Menschen, mit auch schwierigen Situationen gut zurecht zu kommen. Resilienz kann bedeuten, in der Freizeit entlastende und ausgleichende Aktivitäten wie etwa Sport, Musik hören oder Tanzen auszuüben. Die Spezialisten sprechen dabei auch von „self-caring“. Doch genau dieses „aufmerksam um Sich-Selbst-Kümmern“ wird von vielen Menschen vernachlässigt und das wird oft mit der hohen Arbeitsbelastung begründet.

Die gute Nachricht: Resilienz ist nicht etwas Angeborenes. Resilienz kann im Lauf des Lebens erlernt und geübt werden.

Burnout ist eine Depression

In einem Interview mit der Zeitschrift „Psychologie Heute“ beschrieb Isabella Heuser, Psychologin und Psychiaterin und Leiterin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité, Campus Benjamin Franklin, Berlin, das Ihrer Wahrnehmung nach die Leistungsgesellschaft die Diagnose „Depression“ unbedingt vermeiden will und diese Erkrankung bewusst in „Burnout umetikettiert“. Konkret benennt sie, dass in ihrer Klinik hier mit den gleichen Medikamenten therapiert wird und sie Burnout als arbeitsbezogene Depression erlebt. Auch von meiner Wahrnehmung und Erfahrung ist ein massiver Überlastungsprozess ohne „Depression“ ziemlich unwahrscheinlich!

Kritischer Moment im Langzeitkrankenstand

Spannend war auch die Erkenntnis, dass die von mir interviewten „Burnout Betroffenen“ unabhängig voneinander berichteten, dass sie während ihres Langzeitkrankenstandes einen besonders kritischen Moment erlebten: Nämlich jenen, an dem sich der Dienstgeber bei ihnen telefonisch meldete, um nachzufragen, wie lange denn der Krankenstand in etwa noch dauern würde … dieser Wunsch nach Planbarkeit des Dienstgebers ist ja durchaus verständlich. Aber: Er ließ die „Burnout Betroffenen“ in ein „Loch“ fallen, emotional – so wurde beschrieben – ließ sie diese Kontaktaufnahme – nach ihren ersten mühsamen Schritten in Richtung Normalität – wieder an den Beginn ihres „Burnout Prozesses“ zurückfallen! In wenigen Minuten wurde so ein bereits langsam einsetzender Genesungsprozess wieder zunichte gemacht und wertvolle Zeit entwertet!

Es wird Erfolg geschuldet

Als Personalist in einem Unternehmen des privaten Sozialbereiches habe ich ja viel mit arbeitsrechtlichen Gesetzen zu tun. Und auch hier hat sich eine gravierende Erkenntnis für mich eingestellt: Ein unselbständiger Arbeitnehmer ist zu einer auf Zeit abgestellten Arbeitsleistung, nicht aber zur Erbringung eines bestimmten Erfolges seiner Arbeitsleistung verpflichtet! Er schuldet eine Arbeitsleistung, aber keinen bestimmten Arbeitserfolg – sprich: „er schuldet ein Bemühen“ (OGH 9 Ob A 77/91, Infas 1992/A 6 u. 8 Ob A 240/95, Infas 1996/A 31). 

Wenn ich mir aber nun die Realität der Arbeitswelt zu Gemüte führe, nehme ich wahr: Das entspricht schon lange nicht mehr der gelebten Wirklichkeit am Arbeitsplatz. Selbstverständlich erwartet der Arbeitgeber einen Erfolg vom Wirken seines Arbeitnehmers! Das Bemühen alleine reicht heute wohl kaum noch aus – die Erwartungen zielen sehr wohl auf den Erfolg! Und nur diesen! Und dieser Erfolg soll dauerhaft geliefert werden: selbst wenn man 10 Projekte perfekt abgeschlossen hat, und das nächstfolgende Projekt läuft nicht ganz wie geplant, wird man sofort in Frage gestellt … In der Arbeitswelt von heute steht der Arbeitnehmer (tendenziell) permanent unter Bewährung und unter dem Zwang, sich fortlaufend täglich aufs Neue beweisen zu müssen!

Und selbst wenn: Erfolg ist auch oft nicht wirklich steuerbar: Man kann zwar arbeiten, sich bemühen und die Tätigkeit engagiert erbringen, letztlich kann man aber oft nicht kontrollieren wieviel Erfolg man mit ihr tatsächlich hat. Das ist ja oft auch von Faktoren abhängig, die jenseits des eigenen Einflusses liegen.

Noch etwas ist zu bedenken: Wir sind nicht dafür geschaffen, Dinge zu tun, die wir tief in unserem Inneren nicht tun wollen. Und das ist keine Frage von fehlendem Ehrgeiz.

Unser Verständnis von Erfolg stammt zum größten Teil nicht von uns selbst, sondern von anderen – möglicherweise von unseren Elternbzw. auch von bestimmten gesellschaftlichen Erwartungen.

In einer gesellschaftspolitischen Kultur, die grundsätzlich Reichtum und das damit verbundene Prestige als das gute, das begehrenswerte Leben inszeniert, wird einem stets vermittelt, dass man nie mit dem zufrieden sein sollte, was man hat, wer man ist und was man tut.

Um dagegen angehen zu können, müssen wir erst einmal für uns selbst herausfinden, was wir wirklich als Erfolg erleben, was wir wirklich von unserem Leben und unserer Arbeit wollen!

Burnout als Reaktion auf veränderte Arbeitsbedingungen

Burnout ist eindeutig eine Reaktion auf veränderte Arbeitsbedingungen. „Engagiere Dich mit Haut und Haar“ – ist die heutige Grundregel für Erfolg! In den meisten Tätigkeiten ist die ganze Person gefordert, daher entgrenzt sich Arbeit auch immer ins Private! Die Autoren Günter Voss und Cornelia Weiss bezeichnen Burnout als „Leiterkrankung des subjektivierten Kapitalismus“.

Denn: Burnout entsteht oft aus dem Missverhältnis, dass eine Person sich komplett engagiert, die Arbeitgeber aber nicht wirklich an der Person selbst interessiert sind, sondern lediglich daran, den Mehrwert des persönlichen Engagements abzuschöpfen, ohne wirklich Anerkennung zu gewähren oder Sinnangebote zu schaffen. Und so liegen Selbstverwirklichung und Selbstüberforderung ganz nahe beieinander – und die Rede von der Selbstverwirklichung enthält auch einen Selbstbetrug! Es geht dabei ja um eine Standard-Selbstverwirklichung, die ins vorgegebene Konzept passt – aber natürlich keineswegs um eine „freie Selbstverwirklichung“.

Und „Burnout“ ist „immer und überall“: Eine Wanderung, eine sportliche Aktivität, ein Ausflug etc. – oftmals macht man’s gar nicht mehr aus Freude am Leben, auch Leichtigkeit, als Freizeitvergnügen … wir machen’s, um einen bewussten Gegenpol zu „Burnout“ zu schaffen, wir bemühen uns bewusst um Freizeitentspannung, um nur ja kein „Burnout“ zu kriegen … „Burnout“ pervertiert uns also auch im Freizeitkontext.

„Innovatives Potential“ von Burnout

Und ein Hoffnungsschimmer meinerseits: Burnout hat aber auch ein „innovatives Potenzial“. Der ausgebrannte, erschöpfte Mensch ist ein Pionier auf dem Weg in ein verändertes Denken, das mehr auf Ressourcen achtet. Und damit könnte es ein möglicher Vorbote eines neuen „Nachhaltigkeitskapitalismus“ sein.

Landesrat Rudi Anschober

Stark in die Medien geriet Landesrat Rudi Anschober im Herbst 2012 als er seine „Burnout-Krise“ publik machte und Vorneherein seine Auszeit von drei Monaten feststand. Über diesen zeitlichen Parameter, den er damit auch – unbeabsichtigt – vorgegeben hat, bin ich persönlich nicht glücklich, denn „Burnout“ ist ein sehr individueller Prozess, der sich nicht mit anderen „Burnout-Krisen“ vergleichen lässt. Wir Menschen sind Individuen – Gott sei Dank! – und die Belastungsgrenzen sind daher auch völlig unterschiedlich. Vergleiche sind daher unangebracht und der Sache überhaupt nicht dienlich.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang aber auf alle Fälle auch die Vertretungsfrage. Für gut drei Monate nahm Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer die Vertretung von Rudi Anschober in der Landesregierung wahr. Und zwar zusätzlich zu seiner bereits übernommenen Vertretung von Landesrätin Mag. Doris Hummer, die ja gerade auf Babypause weilte. Das heißt: De-facto hatte Landeshauptmann Pühringer zum gleichen Zeitpunkt drei hoch verantwortungsvolle Jobs zu erledigen. Er führte ganz Oberösterreich vor, dass dies durchaus möglich ist. Mit ihm also Themen wie Überlastung zu besprechen, wird von seinem Zugang und praktischen Handeln her, wohl wenig Sinn machen!

Denn die Überlegungen zur Personalpolitik des Landes OÖ. und der GESPAG hat Landesrat Personalreferent Franz Hiesl konkret am 02.04.2014 vorgestellt: Wenn wir einen Abgang haben (Mutterschutz, Kündigung, Pensionierung etc.) da besetzen wir aus Prinzip das erste halbe Jahr mal gar nicht nach. Und nach einem halben Jahr ist oftmals auch der Wunsch nach Personalersatz gar nicht mehr zu vernehmen. Und damit schon ist am Personalsektor eingespart!

Was das aber dann in den einzelnen Abteilungen heißt, wenn ein nun verkleinertes Team sich den gleichen oder auch vermehrten Anforderungen zu stellen hat, wird seitens der politischen Entscheidungsträger nicht mehr hinterfragt!

„Wirtschaftsfaktor“ Burnout

 „Burnout“ kurbelt aber auch die Wirtschaft an: Ein neuer riesiger, beinahe unüberschaubarer Markt hat sich aufgetan: Seminare, Workshops, Ausbildungen etc. werden angeboten, um Unternehmen und Arbeitnehmern die Hintergründe des Entstehens von „Burnout-Prozessen“ näher zu bringen. Unüberschaubar bezeichne ich den Markt deshalb, weil sich da zum Teil natürlich auch Anbieter von Fortbildungsveranstaltungen befinden, die bis vor kurzem oder auch parallel dazu auch Weiterbildungen zum weiteren Ausbau von Leistungs- und Effizienzsteigerungen etc. anbieten und eben jetzt ein neues Geschäft mit „Burnout“ wittern. Ich wünsche mir, dass am Thema „Burnout“ Interessierte hier sorgfältig die „Spreu vom Weizen“ trennen, denn ich denke, bei diesem ernsthaften Thema darf die „Lufthoheit“ nicht an die „Gewinnmaximierer“ weiter gegeben werden. Es geht hier um eine grundsätzliche Lebens- und Wertehaltung, und um eine „neue Kultur der Arbeit“ und diese ist bei diesen Anbietern sicherlich nicht zu finden! „Wo Geld zum Ziel wird, gewinnt es die Kraft, alle anderen Werte als Mittel für sich herabzudrücken“, so der Begründer der deutschen Soziologie, Georg Simmel, in seinem Traktat „Philosophie des Geldes“. Wo Geld zum absoluten Gut wird, kommt es zu „pathologischen Ausartungen“ – und das hat Simmel schon 1900 festgestellt!

3,4 Mio. Krankenstandstage im Jahr 2012

Bis vor kurzem lag mir nur die Anzahl von 2,4 Millionen Krankenstandstagen im Jahr 2009 aus Grund von psychischen Erkrankungen in Österreich vor, war zuletzt den Salzburger Nachrichten die Anzahl von 3,4 Millionen Krankenstandstagen – wobei davon 2/3 auf Frauen entfallen – aus diesem Grunde im Jahr 2012 zu entnehmen. Mein Rückschluss: Ein Umdenken sieht anders aus – offensichtlich hat sich die Situation noch weiter verschärft. Der Leidensdruck für die Unternehmen scheint immer noch nicht groß genug. Oder auch – und das betrifft jetzt meine Wahrnehmung im hauptberuflichen Kontext – der Kostenträger die privaten Sozialunternehmen finanziell absolut unter Druck setzt und z. B. wie in Oberösterreich, die letzten drei Jahre die kollektivvertraglichen Gehaltserhöhungen gar nicht oder nur zum Teil weitergibt, was natürlich entsprechende Reaktionen und Folgen im Arbeitsalltag der Unternehmen hinterlässt!

Verunsicherung

Von einem „außergewöhnlichen Anstieg bei psychischen Erkrankungen“ spricht man im Hauptverband. 

Rund 900.000 Menschen erhalten jährlich wegen psychischer Leiden Leistungen der Krankenversicherungen. 

„Wir leben nicht in Zeiten der allgemeinen Versicherung, sondern der allgemeinen Verunsicherung“ sagt Georg Psota, Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. „Es gibt in der Gesellschaft einen Verlust an Solidarität und Sicherheitsgefühl, traditionelle Strukturen lösen sich auf, viele fragen sich: Wie geht es weiter – mit der EU, mit der Wirtschaft, mit mir, mit der Familie?“


Das könnte ein Grund für das Mehr an Angststörungen und Depressionen sein. Psota: „Das ist meine persönliche Interpretation.“ Denn belegt sei das nicht. „Der Anstieg der Krankenstände kann auch darin liegen, dass sich die Menschen heute mehr deklarieren und psychische Probleme nicht mehr hinter einem Magen-Darm-Infekt verstecken. Es fehlen Studien zur tatsächlichen Krankheitshäufigkeit in Österreich. Wir wissen nicht, wie hoch die Zahlen tatsächlich sind.“


Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Wiener-Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, sieht zwei Gründe für den Anstieg:

„Wir haben Anfang der 90er-Jahre in einer Studie gezeigt, dass damals von Allgemeinmedizinern und an Abteilungen wie Chirurgie oder Gynäkologie nur 40 bis 45 Prozent der psychischen Erkrankungen erkannt wurden – deutlich mehr als die Hälfte wurde übersehen. Heute werden durch bessere Ausbildung 60 bis 65 % erkannt.“

Früher wurden Menschen mit Depression oder Angststörung in vielen Betrieben mitgetragen. Heute heißt es, “Du musst in Krankenstand gehen“ oder die Betroffenen werden in die Frühpension gedrängt. Die gestiegene Stressbelastung im Beruf mache es für Menschen mit psychischen Leiden immer schwieriger, damit umzugehen. „Ich sehe keine Zunahme der Erkrankungen, aber eine Zunahme der Inanspruchnahme von Leistungen. Die wird in den nächsten Jahren weitersteigen. Darauf wird die Politik mit einem Ausbau von Betreuungs- und Therapieeinrichtungen reagieren müssen“, betont Wancata.

„Überlastungsschock“ bzw. „Erosion der persönlichen Tragfähigkeit“

Unser wissenschaftlicher Ausbildungsleiter Hilarion  Petzold hat die Begrifflichkeit von Burnout als komplexes Syndrom, welches als „Erosion der persönlichen Tragfähigkeit“ oder auch als ein „Überlastungsschock“ zu bezeichnen ist, definiert. „Burnout“ beschreibt eine Situation von permanenter Überforderung und Übererregung mit entsprechenden psychophysiologischen Stressreaktionen. Scheitern die Bewältigungsversuche bzw. finden solche überhaupt nicht statt,kommt es zu einer Chronifizierung der Situation, und es tritt ein gravierender Kompetenzverlust ein. Auch bei einer Verbesserung bzw. Entlastung der Situation kann der ursprüngliche Kompetenzgrad  nicht mehr erreicht werden, weil sich die Persönlichkeit des Menschen durch Dauerstress verändert. Er spricht hier von „professioneller Deformation“.

Wohin führt die Ideologie der Eigenverantwortung

Derzeit sind Wege zur Stärkung der Resilienz und der wirksamen therapeutischen Eigenbehandlung gefragte Wissensgebiete: Natürlich sind diese Selbsttechniken der Erschöpfungsvermeidung auch hilfreich, doch folgen sie einer Ideologie der Eigenverantwortung, welche Krankheit als Mangel an Selbstfürsorge und Scheitern als persönliche Schwäche deklariert. Öffentliche Empfehlungen zur Stressprophylaxe richten sich auf eine vermeintlich persönliche Misere, die ihre Ursachen in den sozialen Lebensmodellen der Gegenwart hat und deren Lösungen gesellschaftliche Veränderungen notwendig machen. Als griffiges Beispiel um diese Situation zu veranschaulichen, führen die Autoren Sighard Neckel und Greta Wagner an: „Würde man denn den Arbeitern einer Asbestfabrik empfehlen, zu Hause besser Staub zu wischen, um ihre Lungen vor einer Krebserkrankung zu schützen“?

Wahrnehmungen von Herbert Freudenberger

Der Begründer der „Burnout-Forschung“ der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, hat bereits in den Siebziger Jahren bei der Beschreibung von Burnout neben der schieren Überlastung die Erwartungsenttäuschung ins Zentrum gestellt: Ausbrennen bedeute „sich selbst bei dem Versuch zu zerstören, unter Aufbietung aller Kräfte unrealistische Erwartungen zu verwirklichen, die selbstgesetzt oder vom Wertsystem der Gesellschaft aufgezwungen sind“.

Keine wirklichen gesellschaftspolitischen Veränderungen in Sicht

In Zeiten des allgemeinen Einsparens und des Kürzens wird wohl vorerst alles wie gehabt weiterlaufen. Der Großteil der Unternehmen wird erst dann wirklich innehalten und sich ernsthaft und nachhaltig dem Thema „Überforderung“ annehmen, wenn sie mehr und mehr Probleme beim Rekrutieren von Fachpersonal haben. „Machen Sie alles, dass mein Mitarbeiter bald wieder gesund zurück kommt“ erzählte mir ein Supervisionskollege, wird er von einem Unternehmen angefleht, „wir kommen ohne sein Wissen nicht mehr weiter“. Ob hier eine Erkenntnis zu spät kommt?

Supervision als Arbeits- und Lebensbegleiter

Wünschenswert wäre natürlich, wenn Burnout Krisen überhaupt erst gar nicht entstehen würden. Wenn einerseits im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstgebers schon bei sich anbahnenden Überlastungsszenarien entsprechend reagiert wird, andererseits aber auch MitarbeiterInnen selbst in Eigenverantwortung ihre Belastungsgrenzen definieren und sich aktiv reflektierend mit ihrer Arbeits- und Lebenssituation auseinander setzen. Das hier Supervision – begleitend zum fortlaufenden Arbeitsprozess – als gezieltes und wirksames Instrument prophylaktisch eingesetzt werden kann entspricht meiner eigenen Erfahrung und Wahrnehmung.

„Gelebtes Arbeitsrecht“ als „Burnout-Prophylaxe“

„Gelebtes Arbeitsrecht ist die beste „Burnout-Prophylaxe“ so wurde ich einmal nach einem von mir  in der Arbeiterkammer OÖ. gehaltenen Workshop zitiert. Und dass damit schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wird, davon bin ich noch heute überzeugt! Inzwischen hat sich auch im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes viel getan: Mit der verpflichtenden Evaluierung der psychischen Belastung am Arbeitsplatz ist nun der Focus in den Unternehmen auf negative psychische Belastungsfaktoren zu stellen, die im Österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitor definiert sind: Stressempfinden/Druck, Demotivation, Unfähigkeit abzuschalten, Depressivität, Gefühl der Erschöpfung und Überlastung, Gereiztheit und Sinnleere! Nur: Wenn das Geld überall knapp wird, dann ist nicht zu erwarten, dass sich die Arbeitgeber mit Enthusiasmus in diese Ihnen gesetzlich vorgeschriebene Evaluierung stürzen: Denn tauchen dann Belastungssituationen tatsächlich auf und werden diese vorschriftsmäßig entsprechend dokumentiert, sind Maßnahmen zu setzen, die natürlich auch wiederum Ressourcen kosten werden. Und den Nutzen von Nachhaltigkeit haben die Unternehmen in Österreich von meiner Einschätzung her meist noch nicht wirklich entdeckt! Irgendwie wird die Zunahme von psychischen Erkrankungen inzwischen beinahe doch so hingenommen, wie eben auch der Klimawandel!

Wichtig seien Maßnahmen im Vorfeld, betont Ulla Konrad, Präsidentin des Berufsverbandes der Österreichischen Psychologen. „In Betrieben könnte durch Prävention vieles abgefangen werden. Die betriebliche Gesundheitsförderung sollte sich mehr auf psychische Aspekte konzentrieren und Arbeitspsychologen verstärkt einbinden – wie es etwa bei dem Projekt fit2work (Infos: www.fit2work.at) der Fall ist.“ Leider geschehe dies oft nicht ausreichend. Konrad: „In vielen Unternehmen herrscht noch großes Unwissen, wie mehr Aufmerksamkeit für die Psyche konkret umgesetzt werden kann.“

Wie schütze ich mich selbst vor Burnout?

Der Autor und Facharzt für psychotherapeutische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie, Andreas Hillert (Burnout – Zeitbombe oder Luftnummer?) meint bei dieser Frage, man möge sie durch eine positive Formulierung, eine Anti-Burnout Frage, ersetzen: Und er fragt: „Was macht ein gelungenes, glückliches Leben aus?“. Das hohe Pathos eines glücklichen Lebens beinhaltet das Wissen um die Endlichkeit alles Irdischen, um richtige, bewusste Augenblicke, das rechte Maß, Verantwortung und mitunter auch um bewussten Verzicht. Wir bestimmen unsere Werte selbst! Irgendwie ist an diesem Zugang durchaus etwas dran!

Zukunftsaussichten:

Sehr nachdenklich gemacht haben mich die Musiker Hans Platzgumer und Didi Neidhart, die in ihrem Buch „Musik-Müll“ auch die globale gesellschaftliche Entwicklung durchleuchten und mir dabei ganz eindringlich vor Augen geführt haben, in welchem „Klima“ „Burnout“ heute gedeiht: Ein Auszug aus diesem Essay soll das verdeutlichen:

Wir haben das Träumen verlernt, das vor einigen Jahrzehnten noch hoch im Kurs stand. In Ermangelung der eigenen Vorstellungskraft von Alternativen finden wir uns mit einer ausbeuterischen Welt zurecht, die aus den Rudern läuft. Wir sehen, wie sie zerbricht, wie wir zerbrechen unter ihr, aber wir nehmen es hin, weil wir nicht an bessere Alternativen glauben. Nicht als Tyrannei verstehen wir dieses System, sondern als Wirt. Wir begreifen uns nicht als Opfer seines Diktats, sondern als Parasiten, die eine Symbiose mit dem Wirtstier anzustreben haben.

Die Einbettung in einer von globalisierter Ökonomie dominierten Gesellschaft , deren „Geiz ist geil“ und „Take the Money and Run“ Mottos sich als Weltverständnis eingebrannt haben. Alles in dieser Welt geschieht gleichzeitig, entsteht und verschwindet in einem Atemzug. Alles muss dies tun, sonst hat die Wirtschaft ein Problem, dem sich zu stellen, sie noch nicht bereit ist! Für das Wohlbefinden der Kunden müssen die Regale stets gefüllt sein, auch wenn 30 % unserer Lebensmittel auf dem Müll verrotten!

Der Geschwindigkeitsrausch unseres technischen Fortschritts im Sog des schwankenden Kapitalismus ist eine unheilvolle Spirale nach unten. Ein Wettlauf, der auf Dauer nicht durchzuhalten ist. Wir sind die Opfer unserer eigenen Entwicklung, unserer Sozialisation, unserer Evolution. Wir nehmen an dem Wettrennen nach kurzfristigen Renditen teil – wissentlich oder unfreiwillig. Auch wenn es uns Angst macht oder vielleicht sogar geil! Wenn wir überleben wollen, können wir nicht anders als mitzurennen, wohin auch immer … unendliches Wachstum und Beschleunigung auf einem endlichen Planeten kann auf Dauer nicht funktionieren!

Wer ernsthaft darüber nachdenkt, kann das nicht wollen, aber trotzdem machen alle mit. Vor den großen Problemen, die wir jetzt und in sprunghaft nahender Zukunft bewältigen müssen, erstarren wir in Ratlosigkeit. Die Erderwärmung, die Schuldenkrise – wir geben uns einem fatalen Fatalismus hin, weil wir als Einzelpersonen, einzelnen Organisationen oder Länder nicht wissen, wie Katastrophen und Unrecht abgewendet werden kann, die sich in derartiger Komplexität über den Globus spannen.

Wir können unseren Politikern nicht mehr glauben und vertrauen und haben unseren Untergang vor Augen. Alles hat ein Ablaufdatum, das immer näher rückt! Und jeder, der in dem System seine Vorteile erkennt, quetscht heraus, was er kann, solange er noch kann. Manisch gehetzte KonsumentenInnen tragen dazu bei, das System zu erhalten, solange das noch irgendwie möglich ist. Wer sich dem Kreislauf verweigert für den ist in der Leistungsgesellschaft kein Platz!